Der geheime Basar
erkunden. Als ich mit einer uneindeutigen Antwort zurückkam, saßen sie in der Zwickmühle, warteten ab, um zu sehen, was ich tun würde. «Das wird eine lange Nacht», seufzte Frau Safureh, trat zum Telefon und rief den Lieferservice Pejke rangin chan – den «bunten Boten» – an, ob es möglich sei, an dem Restaurant Big Boy in Abbas Abad vorbeizufahren, um Cheeseburger für alle zu besorgen, und dazu vier Portionen vom Üblichen, nämlich Dugh, Joghurt mit getrockneter Minze, Salz und Pfeffer. Babak rührte sich nicht vom Computer weg, er las uns die neuesten aktuellen Nachrichten vor.
Schließungsbefehle wurden am Nachmittag für fünfzehn Herrenfriseursalons erlassen, die ihren Kunden westliche Haarschnitte anboten, die nicht mit der gesellschaftlichen und moralischen Sicherheit zu vereinbaren sind. Der örtliche Polizeichef meldet, dass an zirka dreißig Friseure Verwarnungen ergangen sind. Zweihundertfünfzig weitere haben moralische Orientierungshilfen erhalten, damit sie Korrekturen vornehmen können und sich einer Unterstützung der Ungläubigen enthielten.
Die libanesische Sängerin Rola Sa’ad leugnet mit Nachdruck die Beschuldigungen, an einer Verschwörung beteiligt gewesen zu sein, die die Ausschaltung ihrer Konkurrentin, des Sexsymbols, einer Göttin der Massen in der gesamten arabischen Welt, der überragenden Haifa Wahabi, zum Ziel hatte. Ein hochrangiger Polizeioffizier bestätigte zwar gegen Abend, dass der Vorfall nichts anderes als ein haarsträubender Unfall gewesen sei und es keinerlei Verdacht auf einen Mordversuch gebe, doch die Fans weigern sich, das zu glauben. Wahabi ist im Laufe von Aufnahmen zu einem neuen Musikclip auf einem Militärflughafen im Ostlibanon mittelschwer verletzt worden. Ein Hubschrauberpilot erfasste sie, als er gemäß Anweisung des Regisseurs in niedriger Höhe über dem offenen Auto schwebte, in dem sie stand. Wahabi brach im Wageninneren zusammen, der Motor entzündete sich und ging in Flammen auf. Zu ihrem Glück stürzten zahlreiche Soldaten, Fans von ihr, die sich um den Schauplatz der Dreharbeiten zusammengeschart hatten, zu ihrer Rettung herbei und holten sie heraus. Kommentatoren berichten, dass die vehemente Feindschaft, die zwischen Wahabi und Rola Sa’ad herrscht, sofort den Verdacht auf letztere lenkte. Den vielen Anhängern, die sich vor dem Krankenhaus in Beirut versammelt haben, hat Wahabi inzwischen mitteilen lassen, dass nur ihr Glaube an Allah sie gerettet habe.
Babak ergötzte sich an jedem Wort. Frau Safureh stand hinter ihm, starrte mit Stielaugen einige Augenblicke lang auf das große Bild eines üppig quellenden Dekolletés, der zu dem Rockstar in schwarzer Satinrobe gehörte, samt dem Kirschmund, den hypnotisierend tiefschwarzen Augen einer Wildkatze, sonnengebräunter Haut und der kleinen Nase. «Die Armee ist schuld», stellte sie mit geringschätzigem Handwedeln fest, «verlasst euch auf meinen juristischen Riecher, die basteln hier an einer Akte gegen Madame Sa’ad.»
Ich wollte, dass sie gehen. «Genug, ich fange morgen früh an zu studieren, machen wir an einem anderen Tag weiter.» Babak und die alte Dame zogen mit eingekniffenem Schwanz wie beleidigte Katzen ab, wobei sie noch darum baten, dass wir den Boten mit den Cheeseburgern ein Stockwerk tiefer schicken sollten.
Ich trat auf den Balkon hinaus. Zahra schloss sich mit einer Kanne Tee an. Chamad, der Kater, wälzte sich auf einem gepolsterten Fußschemel zwischen uns beiden und jagte mit seinen Pfoten nach meinem Mobiltelefon. Er versuchte es zu umarmen, und ich verfolgte misstrauisch die scharfen Bewegungen seiner geschliffenen Krallen, während ich überlegte, wie ich es ihm entreißen könnte, wenn er seine Krallen in das Gerät schlagen oder es ans Geländer stoßen würde – oder wenn Amir endlich anriefe, um mir mitzuteilen, er würde kommen und mich, Allah sei Dank, aus dieser Wohnung retten. Wie könnte ich mir das Gerät schnappen, ohne dem Kater gegenüber Gewalt anzuwenden? Man durfte Zahra schließlich nicht noch mehr Kummer bereiten. Sie liebte den Kater.
«Salam, mein Lieber, schon gut», wandte sie sich tröstend an mich, «ich habe immer gewusst, dass die Scheinwerfer nach einer Weile verlöschen, ich hätte nichts anderes erwarten sollen, die meiste Zeit habe ich es auch nicht.»
Um halb eins in der Nacht verdämmerte Zahra im Salon vor billigen Komödien. Ich betrachtete die blassen Arme, die seitlich am Körper herabhingen, das schöne Gesicht,
Weitere Kostenlose Bücher