Der geheime Basar
begraben, es hatte eine traurig gewölbte Nase und ein borstiges, blutfarbenes Fell. Wir nannten es Doktor Pferd oder Ninja-Junge, denn es versuchte, alle in die Ohren zu beißen, und galoppierte nur, wenn wir ihm zuerst unsere Ohren zeigten. Wir sind normalerweise mit dem Floß irgendwohin geschwommen oder zu Herrn Ali Samimis Wassermelonenstand. Ich reizte Amir immer, flüsterte ihm «azizam» ins Ohr, «mein Süßer», was ihn wie ein aggressives, wutschäumendes Schaf in die Luft gehen ließ. Ich verkniff mir das Lachen, machte stur weiter, sagte zu ihm: «Salam, meine Süße», mit einem lauten, sinnlich rauen Flüstern, wobei ich mich vergewisserte, dass die Umgebung es mitbekam. Amir wurde immer ganz wahnsinnig – wieso machte ich ihn zum Gespött? Und dann überrollte er mich, warf mich mit Schlägen auf den Boden, wir liebten es, uns auf dem Boden zu prügeln. Denn die Heulsuse sagte immer zu mir: «Kami, tu mir einen Gefallen, sag von mir aus rafiq, Kamerad, sag aziz, sag duste-man, mein Freund, sag sogar dadasch, Bruder, aber mach aus mir nicht dein Mädchen, bist du denn völlig verblödet?» Kein Zweifel, es klang ziemlich dumm. Ich erinnerte mich, doch all das erzählte ich Nilu nicht. «Was wir zusammen gemacht haben, Amir und ich? Bloß langweiliges Zeug, was man in einer Hafenstadt so macht», gab ich zur Antwort.
Im gleichen Augenblick wünschte ich mir ganz dringend, dass Nilu glücklich war und ich einen Anteil daran hätte. «Du wirst die Erste sein, die beim Rennen in der Gruppe der Männer konkurriert, die Erste nach dreißig Jahren, verstehst du, wie außergewöhnlich das ist? Wir werden es schaffen», versprach ich, denn ich hatte das Gefühl, als fließe Feuer und Zündstoff in meinem Inneren. Ich wusste, alles würde gut werden, und ich bedauerte Zahra, dass zu ihrer und Arians Zeit keine Chance bestanden hatte, etwas zu verändern, sondern dass sie nur in Stille versinken konnten. Es würde traurig für sie werden, Nilu und mich zu sehen.
In der Früh, als ich mit Frau Safureh aus dem Sa’i-Park zurückkehrte – sie vom Yogatraining und ich vom Joggen –, stießen wir auf Babak, der gerade von der Bäckerei kam, und zusammen schnauften wir alle drei die breiten Treppen in den dritten Stock hinauf. Als wir die Tür öffneten, überraschten wir Zahra vor dem Spiegel des Garderobenschranks, wie sie sich in einem superkurzen grünen Lederrock und einer rosafarbenen durchgeknöpften Bluse mit spitzem Kragen begutachtete. Auf dem Boden lag ein Paar Stiefel, die sicher einmal geglänzt hatten, und sie stand barfuß daneben, schien mit sich zu ringen.
«Ja salam!», röhrte Frau Safureh. «Wir sind doch nicht mehr in den Seventies, Zahra!»
Babak erkannte sofort: «Das sind die Sachen von dem alten Foto, das wir am ersten Abend im Internet gefunden haben. Hundert Prozent Hollywood», sagte er aufgeregt und bewundernd.
Zahra schnitt beiden verlegen das Wort ab. «Jetzt macht hier keine Affäre daraus, das ist die allerletzte Anprobe, bevor die Sachen an die Armen gegeben werden.»
«An arme Leute?», entsetzte sich Babak. «Du kannst doch einen solchen Aufzug nicht an die Armen verschleudern», und Frau Safureh schalt ihn, er solle aufhören, ein solcher Homo zu sein.
Ich war zufrieden. Doch, die Zeit heilte Wunden, das Internet bewirkte Gutes, Zahra war weicher gestimmt und hatte beschlossen, sich von den Relikten zu befreien, die sie belasteten. «Man könnte die Kleider an Fans verkaufen», schlug ich vor, «eine Versteigerung bei eBay.» Die Idee klang abenteuerlich genug, um ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Wir scharten uns um den Esstisch. Frau Safureh wartete mit einer Palette Fragen auf, Babak übernahm die Formulierung, Zahra spielte die Gleichgültige, und ich tippte: «Klassisch, sexy und multifunktional – der legendäre Rock des Superstars Zahra Chazuri, den sie in einer flammenden Szene des geheimen Kultfilms ‹Schaidas Leiter› trägt. Luxuriös und glanzvoll mit einem Touch Exotik, ein traumhaftes Geschenk für alle Nostalgiker, die sich noch einmal in den schillernden Siebzigern ergehen wollen. Ein femininer Schnitt, der jeder Frau schmeichelt, mit starker Präsenz. Passend als Outfit für einen milden Winterabend ebenso wie für einen heißen Sommertag, perfekt für Partys, zum Tanzen, zu Hochzeiten und Familienfeiern – unendlich vielseitig verwendbar! Und nur jetzt, für die glückliche Käuferin gratis dazu, die ruhmreichen Stiefel des Superstars sowie eine
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