Der geheime Basar
trösten. Auch wenn sie es noch so sehr wollte, sie wäre allein, und ich wäre allein, und wenn sie sterben würde, würde ich wie Zahra werden, deren ganzes Leben aus der bedrückenden Erinnerung kurzer, unbedeutender Augenblicke bestand. Ich würde meine Jahre abhaken, ohne dass mir ein Stück von der Trauer zugestanden würde, denn ich war weder Witwer noch trauernder Bruder. Wer würde glauben, dass ich ein Teil von ihr war?
«Das ist nicht gut für dich», verwarnte ich mich laut. Vielleicht sollten wir lieber gleich morgen heiraten, damit wir lebten, wie man es von uns erwartete, ganz einfach und leicht, wir heiraten und können zusammen auf der Straße gehen, Hand in Hand. Aber welchen Grund hätte sie, mich überhaupt zu heiraten? Wenn Nilu anriefe, würde ich sagen, dass es vorbei ist, vielleicht würde ich mich auch einfach aus dem Staub machen. Ich wälzte mich auf dem Bett herum, es nagte an mir wie ein Bandwurm an meinen zerrütteten Organen, und ich formulierte Schlusssätze. Bis um elf das Telefon vibrierte und alles verziehen war.
«Kami! Wir haben einen Sponsor!» Ihre Stimme segelte mir entgegen wie das Glück reinsten Wassers.
Ich versuchte ebenfalls, meiner Stimme einen schönen Klang zu verleihen und mich überrascht anzuhören. «Salam!»
«Ich habe eine Garage für uns gefunden», verkündete sie, «klein, irgendwie verhext, du wirst sie lieben, und ich habe das mit der Finanzierung erledigt, und ich habe jede Viertelstunde einmal gelacht, weil ich mich an dein gequältes Gesicht erinnert habe. Wir müssen wegfahren.»
«Was heißt wegfahren?», fragte ich verblüfft, aber ich liebte den Klang dieses Wortes.
«Das Auto nehmen und ein bisschen rausfahren, nur du und ich. So ein Zeittunnel für uns, ein Wochenende, nach dem wir das Gefühl haben, dass wir uns schon mindestens ein halbes Jahr kennen, als hätten wir das ätzende Anfangsstadium übersprungen.»
«Sollte das nicht gerade das größte Vergnügen sein, das Anfangsstadium?»
«Das ist bloß Zeitverschwendung. Wir fahren zum Ferienhaus meiner Eltern.»
«Bist du immer so mitten in der Nacht?»
«Definiere so.»
«Tauchst plötzlich auf, überwach, triffst lauter Entscheidungen.»
Schweigen.
Vielleicht war sie beleidigt. Vielleicht suchte sie nach einer scharfsinnigen Antwort auf eine Frage, die keinen Raum für Geistesblitze ließ.
«Nilu», korrigierte ich mich, «ich meinte, das ist gut, du hörst dich für mich die ganze Zeit wie die Sonne an.»
«Weil es mir gerade gutgeht», antwortete sie.
«Mir kommt es vor, als geht es dir immer gut.»
«Nicht immer», entschuldigte sie sich, «aber offenbar habe ich in letzter Zeit meinen Platz gefunden.»
«Und welcher Platz ist das?», wollte ich wissen.
«Ist dir schon mal aufgefallen, dass die Leute hier immer auf den falschen Stühlen sitzen? Wer Kinoregisseur sein sollte, schreibt sich für das Ingenieursstudium ein, und wer zum Steuerbeamten geboren ist, geht hin und macht Filme, das ist ein nationales Problem, die Leute haben Angst davor, das zu tun, was ihnen das Schicksal bestimmt. Also habe ich beschlossen, dass ich nur das tue, was mein Bauch sagt.»
«Autos?»
«Wettbewerbe», lachte sie, «das tut mir anscheinend gut, der Wettkampf.»
«Ich, also ich habe keine Ahnung, was mir guttun würde.»
«Welche Möglichkeiten gibt es?»
«Wenn ich mich auf einen Stuhl in der Fakultät für Maschinenbau gesetzt habe, heißt das, dass ich Maler sein sollte? Chefkoch? Tierarzt?»
«Ich weiß nicht, mach die Augen zu, stell dir dich in zwanzig Jahren vor, glücklich, erfolgreich, alle um dich herum bewundern dich, wo bist du dann?»
«Sollen mich alle bewundern?»
«Sie sollen wenigstens neidisch sein. Wo bist du?»
«Ich habe kein Bild vor Augen.»
«Und Träume? Was ist mit Träumen?»
«Hm.»
«Wir sind die Nachkriegsbabys», erklärte sie und lachte, «wir sollen die Träume aller verwirklichen.»
«Ich glaube, heute Nacht werde ich von dir träumen, zählt das auch?»
«Hängt davon ab.»
Ich verstummte. War enttäuscht von mir selbst, fühlte mich lächerlich, etwas erklären zu wollen. Ich war ehrgeizig, sehr sogar, aber sie war noch ehrgeiziger. Wenn sie über Stühle und Ambitionen redete, verlor ich die Sicherheit und enttäuschte sie. Sie fand mich sicher banal.
«Wieso bist du beunruhigt?», fragte sie mit einem Schmunzeln. «Jede Blume hat ihre Zeit zu blühen.»
«Blumenmetaphern? Das ist nichts für mich», lächelte ich.
«Erzähl mir eine
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