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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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Bluse in betörendem Rosa mit V-Ausschnitt – die filmreife Abrundung! Verkauf nur an Frauen mit guter Figur», auf diesem Zusatz bestand Frau Safureh.
    «Und schreib seitlicher Reißverschluss dazu», betonte Zahra.
    «Haben wir ein Maßband?» Nein. Wir schätzten per Augenmaß. Brustumfang, Hüften, Schenkel, Länge. Einstiegspreis? Zwanzig Dollar. Nur Barzahlung. Beziehungsweise per Banküberweisung. Angebotsfrist? Zwei Monate. Land? Man muss ein Land einsetzen. Es gibt eine Tabelle. Island, Indonesien, Irland, Italien. Moment, wo sind da wir? Nirgends. Man will uns nicht. Ist das der amerikanische Boykott? Sollen sie die Revolutionsgarden boykottieren, aber wieso denn Leute aus der Modebranche?
    «Wähl einen Staat als Fassade. Führen wir sie eben an der Nase rum.»
    «Japan», schrie Frau Safureh, «klick auf Japan, von dort werden wir ab heute alle unsere geschäftlichen Transaktionen managen!»
    Ich drückte auf Bestätigung. Es herrschte fröhliche Stimmung für einen Moment, und dann waren wir zwischen den zweihunderteinundachtzigtausendneunhundertzweiundsechzig Röcken auf den Verkaufsseiten von eBay gespeichert. «Keine Sorge», versprach ich wagemutig, «die Netzsurfer sind verrückt nach Nostalgie.»
    «Vielleicht verkaufen wir auch gleich Chamad, den Kater?», schlug die alte Dame vor.
    Dann traten wir hinaus in einen profanen Tag in der Stadt, Frau Safureh, Babak und ich. Wir marschierten die Straße entlang, Babaks Fahrrad rollte nebenher. Die alte Frau tätschelte mir den Nacken und verkündete: «Du tust ihr gut, junger Mann.»
    Ich hörte das nur zu gerne, und daher machte es überhaupt nichts, wenn ich mich an einem Kompliment der unzurechnungsfähigsten Frau des Viertels aufhängte. «Sagen Sie, Frau Safureh, hatten sie nie Kinder, Zahra und Arian?»
    «Nein», antwortete sie. Und Babak sagte: «Nach allem, was hier passiert ist, wer will da schon Kinder in diese brutale Welt setzen?»
    «Aber die meisten Familien haben, gleich nachdem es passiert ist, acht Kinder gemacht», entgegnete ich, «vor der Revolution hatten sie zwei, nach der Revolution acht.»
    Doch Babak insistierte: «Das ist egoistisch, Kami, adoptieren vielleicht, das ist in Ordnung, ein Kind aufnehmen, das ohnehin schon geboren ist, und es retten, falls möglich, das hat Wert, aber zur Welt bringen? An diesem Ort der Welt? Warum soll man das einem Kind antun? Und überhaupt, Kinder, das ist nichts für jedermann.»
    Und ich dachte im Stillen, dass sich Kinder für Zahra nicht empfahlen. Besagte das, dass sie so auf sich konzentriert war, dass sie nicht fähig war, etwas von sich selber zu geben? Es war nicht fair, so von ihr zu denken. Frau Safureh, mit der ihr eigenen Art einer Weisen vom Dorf, ließ eine Philosophielektion für das arme Volk vom Stapel. «Du liebe Zeit, meine Herren, was bringt eine Frau denn dazu zu gebären?», sinnierte sie laut und gab sich auch gleich die Antwort darauf: «Die Angst, vergessen zu werden, es gibt schließlich keine tiefere und traurigere Angst als die, vergessen zu werden, ein Kind ist die erstbeste, natürliche Lösung. Denn das Wissen, dass du lebst, aber demnächst tot sein wirst, und alles, was sich bei dir angesammelt hat, Schicht um Schicht, Jahrzehnte mühevollen Aufbaus, mit dir in den spurlosen Untergang gespült wird, dass nicht die kleinste verrottete Zelle von dir für irgendjemanden noch eine Bedeutung haben wird, als wärst du nie gewesen, wen würde das nicht verrückt machen? Also vermehren sich alle. Aber Zahra hatte kein solches Bedürfnis, sie hat gewusst, dass ihre Werke, die Lieder und die Filme, sie überdauern würden, ein größeres Vermächtnis als das aller anderen, das noch nach uns allen herausragen würde. Ihr gesamtes Wesen hat Zahra in ihre Kunst ausgeschüttet, voll und ganz, sie hat sich innerlich verzehrt, um sich äußerlich unsterblich zu bewahren, dachte, kein Mensch könne sie je ausradieren. Wer hätte geglaubt, dass mit einem Schlag der schwarze Vorhang fällt?»
    Wovon redete sie? Ich verstand nicht, was Zahra innerlich verzehrt und was sie nach draußen gespuckt hatte. Die Rolle der bauchwackelnden Tänzerin in marktgängigen Unterhaltungsfilmen hatte sie gespielt. Wollte das hier denn niemand zugeben? Und diese Lieder, dachte ich bei mir, sie hat diese Lieder schließlich nicht geschrieben, weder die Worte noch die Melodien. Vielleicht war einfach die Besessenheit, berühmt zu werden, stärker als der Wunsch, neues Leben zu schaffen, denn das

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