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Der geheime Brief

Der geheime Brief

Titel: Der geheime Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Ernestam
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kann nur ein Tor versuchen. Der da wird nicht in geweihtem Boden liegen. Niemals wird er in geweihtem Boden liegen. Einer von uns bleibt hier und hält vor dem Haus Wache. Falls ihr ihn reinschleppen wollt.«
    Er zeigte auf einen jungen Mann, der nickte und beiseitetrat. Der Offizier befahl den Männern, loszugehen, und sie entfernten sich. Ehe er ihnen folgte, wandte er sich wieder an Lea.
    »Mit dir bin ich noch nicht fertig, du Weibsstück. Aber es wird noch andere Möglichkeiten geben. Abzurechnen, meine ich.«
    »Ich kann es kaum erwarten.«
    Lea spuckte auf den Boden, und jemand lachte auf. Der Offizier stieß eine Verwünschung aus und verschwand nun ebenfalls. Übrig war nur noch der Mann, der Wache halten sollte. Sobald er alleine war, zog er sich zurück und murmelte, dass ihm wegen der Dinge, die er nicht sah oder hörte, keine Vorwürfe gemacht werden könnten. Er habe nicht vor, zwangsweise die Verantwortung zu übernehmen.
    Lea kam zu mir, und vorsichtig drehten wir Anton um. Sein Gesicht war zerschlagen und von Blut bedeckt, die Kleidung war zerrissen, und er hatte tiefe Wunden in den Armen. Seine Brust war bedeckt von Fußabdrücken, und die Knochen waren gebrochen, wie seine Finger, die irgendwer zertrampelt hatte.
Als ich seinen Namen flüsterte, kam keine Antwort. Kalte Tränen tropften auf Antons Körper, während Lea seinen Kopf festhielt.
    »Wir müssen ihn ins Haus bringen«, sagt sie, und nun kam Jakob heraus. Unsicher trat er näher, und als er auf Anton hinunterschaute, fuhr er zusammen wie in furchtbaren Qualen. Unsere Hände begegneten einander über Antons Leib, und ich wusste schon jetzt, dass unser Schicksal besiegelt war, Jakobs am allermeisten.
    Vorsichtig trugen wir Anton ins Haus. Er jammerte, und als wir ihn aufs Sofa legten, wo Jakob ihn vorsichtig zudeckte, schrie er ein Gebet um Erlösung von den Schmerzen. Sein Mund bewegte sich, und er stieß verwirrte Worte aus, dann verlor er wieder das Bewusstsein. Lea rannte in die Küche und machte im Herd Feuer. Nach einer Ewigkeit kam sie mit einem Wasserkessel und einigen Lumpen zurück. Vorsichtig wischte sie Anton das Blut ab. Die Wunden waren bereits blau und rot geschwollen, und ich sah die Abdrücke der Hundezähne. Ich zerriss sein Hemd noch weiter, um die Haut freizulegen, während Jakob vorsichtig seine Hose aufschnitt. Seine Hände zitterten, und als Anton stöhnte, fuhr Jakob zurück und wäre fast gefallen.
    »Wir müssen den Arzt holen. Das Bein ist gebrochen, er braucht Medizin. Lea, ich werde ihn holen …«
    »Hast du nicht gehört, was sie gesagt haben? Natürlich glaube ich, dass Ärzte Leben retten wollen. Aber wir wissen doch nicht, was ihm befohlen wurde. Wer weiß überhaupt, ob Anton überhaupt ein Recht auf Pflege hat, den Gesetzen nach, die diese Feiglinge angeblich befolgen.«
    »Er stirbt, Lea, wenn er nicht …«
    »Er stirbt auf jeden Fall, Rakel. Ich sehe das nicht zum ersten Mal.«

    »Nein!«
    Wieder wimmerte Anton, und Lea fragte Jakob, ob er Branntwein im Haus habe. Jakob verschwand, kehrte mit einer halbvollen Flasche zurück, und Lea feuchtete einen Lappen an und wischte Anton weiter das Blut ab. Seine Arme zuckten einige Male, aber sein Kopf war zur Seite gefallen, und er hatte die Augen geschlossen. Aus dem Mundwinkel sickerte Blut. Ich wischte es mit einem Taschentuch ab, bis das Blut den Stoff durchtränkte und meine Hände befleckte.
    »Er stirbt nicht, Lea. Er stirbt nicht, du siehst doch, dass er atmet!«
    Lea nahm mich in die Arme, wiegte mich hin und her und murmelte beruhigende Worte. Sie atmete regelmäßig, und ihre Tatkraft wirkte übermenschlich. Als sie mich losließ, sah ich, dass Jakob auf dem Stuhl saß und ins Leere starrte.
    »Was machen wir, Lea? Wie können wir ihn retten?«
    »Das liegt jetzt an Gott. Mehr können wir nicht tun. Ihn wegzubringen, ist unmöglich. Bete, du kannst das ja. Ich halte so lange Wache.«
    »Aber wenn sie zurückkommen? Was …«
    Lea legte mir den Finger auf die Lippen, und ich setzte mich zu Antons Kopf und streichelte seine Haare so vorsichtig ich nur konnte. In Gedanken flog ich mit ihm auf dem Rücken durch das Fenster davon. Nach Amerika, in die schwedischen Siedlungen, zu einer kleinen Kirche auf fremdem Boden, zu reifen Kornfeldern und einer wärmeren Sonne. Ich hörte ein Kind lachen, während ich versuchte, durch die Kraft meiner Gedanken seinen Brustkorb zu zwingen, den Kampf nicht aufzugeben.
    Dann wurden die Sekunden zu Minuten, und als ich

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