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Der geheime Brief

Der geheime Brief

Titel: Der geheime Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Ernestam
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vertrauenswürdig, könne warten und schweigen. Der Mann trat vor und bestätigte das Gesagte durch ein Nicken, dann verschwand er zum Abladen hinter dem Karren.
    Lea überwachte die Arbeit. Sie bat die Männer, die Säcke zuerst in den Schuppen zu bringen, wo sie sie wog und das Gewicht in einem zu diesem Zweck angeschafften Notizbuch notierte. Sie tunkte die Feder in die Tinte und zog Trennstriche, schrieb dann die Ziffern in die Spalten und sorgte dafür, dass alles ordentlich verstaut und bedeckt wurde. Am Ende würde außer den Hufspuren des Pferdes im Lehm nichts mehr verraten können, was hier passiert war.
    Lea erklärte Jakob und dessen Freund, sie rechne damit, schon in der folgenden Nacht die Lieferung absetzen zu können. Wenn alles gut ging, würden sie also in der übernächsten Nacht die zweite Ladung bringen. Würden sie auch dann
wieder einen Wagen besorgen können? Jakobs Kollege nickte. Jakob fragte nach dem Kunden und erfuhr von Lea, dass ein Geschäftsmann kommen würde, auf den Verlass sei, wenn er auch ein wenig kleinlich denke. Ruben kenne ihn von früher her. Er sei Gastwirt und ständig auf der Jagd nach Dingen, die er denen servieren könne, die weiterhin anständig essen wollten und konnten.
    Ich zitterte in der Dunkelheit. Leas Energie war ansteckend, aber der Gedanke daran, was wir hier machten, ließ mir keine Ruhe. Ich würde nicht direkt sagen, dass ich Angst hatte. Aber ich war mir nicht sicher, ob Vater das hier gebilligt hätte, und nach der Meinung meiner Mutter hatte ich nicht zu fragen gewagt. Konnte der Zweck die Mittel heiligen? Dann dachte ich an den Dampfer mit dem lustigen Namen Knippla , der einige Wochen zuvor im Öresund auf eine deutsche Mine aufgelaufen war. Das Boot war innerhalb weniger Minuten versunken und die Besatzung hatte sich in die Rettungsboote flüchten können, aber unter dem Deck waren noch die Köchin und die Kantinenwirtin gewesen. Die Köchin rettete ihre Kollegin unter Lebensgefahr. So war das. Wenn Frauen nicht zusammenhielten und ihre Angst unterdrückten, mussten sie sterben. Feige Frauen ertranken.
    Jakob wollte wissen, was Ruben von der ganzen Angelegenheit hielt. Ganz ehrlich. Dass Lea und Ruben ein Auge aufeinander hatten, war das eine, aber dass ein Sohn aus gutem Hause, noch dazu so fromm, die Räumlichkeiten seines Vaters zu lichtscheuen Geschäften nutzte? Er hätte Ruben niemals so viel Mut zugetraut, was nicht böse gemeint sei. Lea schlug zurück.
    »Du hast doch selbst gesagt, dass es egal ist, was man tut, wenn man sich nur über das Ergebnis freuen kann. Warst nicht du es, der gemeint hat, Barmherzigkeit sei ein guter Grund zum Schmuggeln? Warum nimmst du also an, Ruben Otto könnte
weniger edle Motive haben als du, nur weil er eine goldene Uhr trägt und besser riecht? Auch er hat seine Gründe, warum er Geld braucht. Er kann nicht einfach zu Vatern gehen und sich welches geben lassen, falls du das dachtest. Wenn sie nicht einer Meinung darüber sind, wofür das Geld ausgegeben werden soll.«
    Lea trat einen Schritt auf Jakob zu.
    »Auch wenn Carl Otto großzügig ist, so hat er doch andere Vorstellungen von einem guten Geschäft. Er findet sicher, dass er genug für seine Arbeiter tut, auch ohne Leute zu bezahlen, die bei Kundgebungen aufeinander einschreien. Eine gute Mahlzeit auf einen leeren Magen, so sieht Carl Otto die Lösung solcher Probleme. Ich kann den einen wie den anderen verstehen und verurteile keinen. Und du solltest das auch nicht tun.«
    Jakob wich zurück und sagte, er möge Ruben gern und sei dankbar für dessen Hilfe. Dann brachte er uns nach Hause, verließ uns aber vor der Haustür. Wir mussten bald zur Arbeit, er in den Hafen, Lea in die Fabrik und ich in Amanda Ottos Salon. Dort sollte ein musikalischer Abend stattfinden, natürlich ohne meine Mitwirkung. Aber Signe würde besseres Essen auftischen können als sonst. Und das half.
     
    In der folgenden Nacht waren wir wieder da, diesmal nur Lea und ich. Jakob hatte auch kommen wollen, aber Lea behauptete, sie wollte nicht mehr Leute im Lager haben als ohnehin nötig. Jakob wollte uns nicht allein lassen. Er bot an, sich draußen zu verstecken, falls wir Hilfe bräuchten. Ruben hatte etwas ähnliches zu Lea gesagt, hatte dann aber eingesehen, dass keine Gefahr bestand. Er hatte zu viel zu verlieren, wenn er erkannt würde, und er wusste außerdem, dass der Kollege seines Vaters niemals gewalttätig werden würde. Außerdem hatte er nicht viel zu sagen, wenn

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