Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der geheime Garten

Der geheime Garten

Titel: Der geheime Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Hodgson Burnett
Vom Netzwerk:
die Bücher an den Wänden machten es gemütlich, trotz grauem Himmel und strömendem Regen. Colin sah selber fast wie ein Bild aus. Er trug einen Morgenrock aus Samt und lehnte an einem großen Brokatkissen. Auf seinen Wangen brannten rote Flecke.
    »Komm herein«, sagte er. »Ich habe den ganzen Morgen an dich gedacht.«
    »Ich habe auch an dich gedacht«, antwortete Mary. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie erschrocken Martha war. Sie sagte, Mrs. Medlock wird denken, sie habe mir von dir erzählt, und Mrs. Medlock wird sie wegschicken.«
    Er legte die Stirn in Falten.
    »Geh und sag ihr, daß sie hereinkommen soll. Sie ist im Nebenzimmer.«
    Mary ging und holte Martha herein. Die Arme zitterte wie Espenlaub. Colins Stirn lag noch immer in Falten.
    »Mußt du tun, was mir gefällt, ja oder nein?« fragte er.
    »Ja, Sir«, stammelte Martha errötend.
    »Muß Mrs. Medlock tun, was ich ihr sage?«
    »Jeder muß das, Sir.«
    »Also, wenn ich will, daß du Miß Mary bringst, wie könnte Mrs. Medlock da wagen, dich wegzuschicken, wenn sie es herausfindet?«
    »Bitte, ich möchte nicht, daß sie mich wegschickt!«
    »Ich werde Mrs. Medlock fortschicken, wenn sie es wagt«, sagte der junge Mr. Craven würdevoll. »Und das hätte sie nicht gern, darauf kannst du dich verlassen.«
    »Danke, Sir«, sagte Mary und knickste. »Ich möchte nur meine Pflicht tun, Sir.«
    »Alles, was ich möchte, ist, daß du deine Pflicht tust«, sagte Colin noch großartiger. »Ich werde dich beschützen. Du kannst jetzt gehen.«
    Als die Tür sich hinter Martha Schloß, bemerkte Colin, daß Mary ihn verwundert und nachdenklich betrachtete.
    »Warum guckst du mich so an?« fragte er. »Woran denkst du?«
    »Ich denke an zwei Dinge.«
    »Woran? Setz dich hin und erzähle.«
    »Ich habe einmal in Indien einen Jungen gesehen, der war ein Rayah, ein Fürst. Er war übersät mit Rubinen, Saphiren und Diamanten. Zu seinem Volk sprach er wie du mit Martha. Jeder mußte ihm auf der Stelle gehorchen. Ich glaube, wer nicht gehorchte, der wurde getötet.«
    »Ich werde dir befehlen, mir auf der Stelle von den Rayahs zu erzählen. Aber was war das zweite, woran du dachtest?«
    »Ich dachte darüber nach, wie anders du bist als Dickon.«
    »Wer ist Dickon?« fragte er. »Was für ein komischer Name!«
    Sie dachte, es wäre am besten, ihm gleich von Dickon zu erzählen. Sie konnte von ihm berichten, ohne den geheimen Garten zu erwähnen, und durfte dabei das Gefühl haben, daß ihr Freund ganz nah war.
    »Dickon ist Marthas Bruder. Er ist zwölf Jahre alt«, erklärte sie. »Er gleicht keinem anderen Jungen auf der Welt. Er kann Füchse, Eichhörnchen und Vögel bezaubern, so wie die Eingeborenen in Indien Schlangen beschwören können. Er bläst ein ganz sanftes Lied auf seiner Pfeife, und dann kommen die Tiere und lauschen.«
    Colin hatte auf einem Tischchen neben sich große Bilderbücher liegen. Er zog plötzlich eines hervor und blätterte darin.
    »Hier ist ein Bild von einem Schlangenbeschwörer«, sagte er.
    »Komm und sieh es dir an.«
    Das Buch war wunderbar. Er zeigte auf eines der Bilder.
    »Kann Dickon das?« fragte er rauh.
    »Er blies auf seiner Pfeife, und sie hörten zu«, erklärte Mary. »Aber er nennt es nicht Zauberei. Er sagt, es kommt daher, weil er viel im Moor ist und sie so gut kennt. Er sagt, er fühlt sich manchmal selbst wie ein Kaninchen oder ein Vogel. Er liebt sie so sehr. Ich glaube, er stellt dem Rotkehlchen richtige Fragen. Sie unterhielten sich mit Gezwitscher.«
    Colin legte sich in sein Kissen zurück, seine Augen wurden größer und größer.
    »Erzähl mir mehr von ihm«, sagte er.
    »Er kennt ihre Nester, und er weiß, wo Füchse und Ottern und Dachse wohnen. Er hütet ihre Geheimnisse, damit andere Jungen ihre Höhlen nicht finden und sie nicht erschrecken können. Er weiß alles über alle, die im Moor leben.«
    »Liebt er das Moor?« sagte Colin. »Wie kann man ein großes, ödes, nacktes Stück Land gern haben?«
    »Es ist ein herrliches Stück Land«, fuhr Mary fort. »Tausende von lieblichen Blumen wachsen da, und Tausende von kleinen Wesen sind fleißig damit beschäftigt, Höhlen und Burgen und Nester zu bauen. Sie quieken und zwitschern miteinander auf der Heide und in den Bäumen. Es ist ihre Welt.«
    »Woher weißt du das alles?« fragte Colin und stützte sich wieder auf den Ellbogen, um sie anzusehen.
    »Eigentlich bin ich selber noch nie dort gewesen«, sagte Mary überrascht. »Ich bin nur im Dunklen

Weitere Kostenlose Bücher