Der geheime Name: Roman (German Edition)
Pakt.«
Robert schüttelte den Kopf und stieß ein leises Lachen aus. »Als sie es mir endlich erzählt hat, dachte ich, sie wäre verrückt. Aber das liegt inzwischen sehr viele Jahre zurück.«
Fina schluckte. Ihre Mutter hatte doch nicht alle Menschen verloren. Ihr Vater hatte ihr offensichtlich verziehen. Trotz allem. Vielleicht konnte man das, wenn man sich liebte.
Fina blickte wieder aus dem Fenster, starrte ins Leere und dachte an Mora. Er hatte sie auch belogen, hatte ihr verschwiegen, dass er sie zu seinem Herrn bringen sollte. Deshalb hatte er sich selbst so furchtbar gequält, weil er hin- und hergerissen war, weil er eine schreckliche Entscheidung treffen musste.
Am Ende hatte er entschieden, sich selbst zu opfern. Jetzt war er allein mit seinem Herrn, mit seiner Peitsche und seinem Zorn.
Fina konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Auch sie hatte Mora längst verziehen. Sie lehnte ihre Stirn gegen die Fensterscheibe, fühlte die Kälte und versuchte, möglichst leise zu weinen.
»Erst nach Jahren, als ich schon viel älter war, habe ich begriffen, was für einen furchtbaren Pakt ich geschlossen hatte.« Ihre Mutter erzählte langsam weiter. »Je länger ich mit Robert zusammen war, desto mehr haben wir uns ein Kind gewünscht. Ich konnte ihm nie sagen, warum ich solche Angst davor hatte. Also habe ich heimlich verhütet und so getan, als würde ich nicht schwanger. Schließlich ist Robert an die Deutsche Botschaft in Rumänien versetzt worden, und dort habe ich es endlich gewagt. Ich dachte, ich wäre weit genug weg, um nicht von dem Männlein gefunden zu werden. Außerdem bezog sich mein Schwur nur auf eine Tochter, und ich hoffte, einen Sohn zu bekommen. Aber sobald ich schwanger war, fing ich an, von ihm zu träumen. In den ersten Träumen hat er mich nur an mein Versprechen erinnert. Aber schließlich sagte er mir, wenn ich ihm meine Tochter nicht brächte, würde er mich finden. Dann würde er mich töten und das Baby mitnehmen. Ich war verzweifelt. Ich konnte mein Kind doch nicht an so eine Kreatur ausliefern!«
Fina hörte das Quietschen eines Stuhls, kurz darauf leise Schritte. Die Stimme ihrer Mutter näherte sich: »Als du schließlich geboren warst, nannte er mir einen möglichen Ausweg: Wenn ich zu ihm käme und ihm seinen Namen nennen würde, dürfte ich dich behalten. Ich war mir nahezu sicher, dass sein Name Rumpelstilzchen sein musste. Das war meine letzte Hoffnung. Also habe ich dich bei Robert gelassen und bin nach Deutschland gereist.« Ihre Mutter legte die Hand auf Finas Schulter.
Fina wich ihr aus, ging ein paar Schritte und drehte ihr den Rücken zu. Ihre Mutter sollte sich von ihr fernhalten, sollte nicht sehen, dass sie weinte.
Susanne blieb stehen, Fina ahnte ihren Blick auf ihrem Rücken. Ihre Mutter schien zu zögern. Fina konnte hören, wie sie immer wieder den Mund öffnete und ihn dann wieder schloss. Als sie nach einer Weile doch noch weitersprach, klang ihre Stimme seltsam fremd: »Ich bin ihm im Moor gegenübergetreten und habe ihn Rumpelstilzchen genannt. Aber der Name war falsch, und ich habe meinen einzigen Ausweg verspielt.« Susanne machte eine weitere Pause, atmete tief ein und sprach schließlich stockend weiter. »Er nannte mir den Ort, an dem du warst, und behauptete, er würde noch vor mir dort sein, um dich zu holen. Ich wusste nicht, welche Fähigkeiten er besitzt, ob er vielleicht auf besondere Weise reisen kann. Aber ich musste damit rechnen, dass er seine Drohung wahr machte. In meiner Angst habe ich Robert angerufen, habe ihm die ganze Geschichte erzählt und ihn darum gebeten, dich in ein anderes Land zu bringen.«
Fina sah zu ihrem Vater.
Er saß noch immer vornübergebeugt auf seinem Stuhl. Kopfschüttelnd fing er an zu erzählen: »Ich habe kaum verstanden, wovon sie redete – außer, dass irgendjemand dich entführen wollte. Also bin ich mit dir nach Spanien geflogen und habe deine Mutter dort getroffen. Sie hat versucht, mir ihre ganzen Lügen zu entschlüsseln. Die ganze Sache mit ihren Eltern und ihr Pakt mit Rumpelstilzchen. Ich war entsetzt von ihrer Geschichte, von der Ernsthaftigkeit und der Verzweiflung, mit der sie mir davon erzählt hat. Ich war überzeugt davon, dass sie verrückt ist – und plötzlich hat sich unser ganzes Leben in einem ganz anderen Licht dargestellt. Auf einmal wusste ich, dass sie immer schon wahnsinnig war. Ich wollte mich von ihr trennen. Aber du solltest bei mir bleiben, Fina. Ich wollte
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