Der geheime Name: Roman (German Edition)
Mora war mindestens genauso stark wie die Bodyguards da draußen.
Sie musste ihren Vater dazu bringen, die Männer abzuziehen. »Nein. Ich denke nicht, dass sie ihn beeindrucken. Solange sie nicht wissen, wonach sie suchen, sind sie sein Lieblingsfutter. Angepeilt, angesprungen, umgebracht.« Sie schnipste mit dem Finger. »Noch bevor sie einen Laut von sich geben.«
Ihr Vater wurde blass.
»Was weißt du über ihn?«, hauchte ihre Mutter.
»Mich will er lebendig, oder?« Fina ließ ein schiefes Grinsen über ihr Gesicht gleiten. »Sagen wir: Ich weiß, dass es ihm weitaus schwerer fällt, jemanden lebendig zu fangen.«
Ihre Mutter schnappte nach Luft, ihr Vater sah besorgt zu seinen Männern nach draußen.
»Morgen fliegen wir nach Neuseeland«, flüsterte Susanne. »Unser Flug geht um 14 Uhr ab München.«
Fina hielt den Atem an, versuchte, sich ihren Schrecken nicht ansehen zu lassen. Stattdessen wollte sie eine Spur von Fröhlichkeit vortäuschen. »Und, wie sieht es aus? Wenn ich morgen schon wieder weg bin: Gibt es dann heute noch eine Führung durch mein Prinzessinnenschloss?«
* * *
Fina saß mit untergeschlagenen Beinen auf ihrem Bett und ließ den Blick durch das hübsche Turmzimmer wandern. Es hatte drei Fenster zu drei Seiten, gebogene Wände und eine traumhafte Sicht über den Park. Heute Nachmittag war das Zimmer von leuchtendem Sonnenschein erfüllt gewesen. Doch jetzt war ihre Nachttischlampe die einzige Lichtquelle.
Fina konnte nicht schlafen, wollte nicht schlafen. Sie musste warten, bis alles ruhig geworden war. In Gedanken ließ sie noch einmal die Bilder an sich vorbeiziehen, die sie am Nachmittag während ihres Rundganges gesammelt hatte. Sie sah den dicken Schlüsselbund vor sich, der in der Küche an einem Bord hing. Sie dachte an den Pferdestall und die drei Pferde, die darin standen. Eines davon gehörte ihr, wie ihr Vater ihr stolz erklärt hatte. Es wurde von einer anderen jungen Frau geritten, die hier arbeitete. Aber er hatte es für Fina gekauft.
Tatsächlich war es ihr gelungen, ihren Vater zu einem Ausritt zu überreden, und sie waren gemeinsam durch den Park geritten. Ganz unauffällig hatte sie die Hecke begutachtet, die den Park umgab, und eine Stelle gefunden, an der sie schmal und niedrig genug war, um mit einem Pferd darüberzuspringen. Nebenbei hatte sie ihren Vater über die Ausbildung des Tieres ausgefragt.
Er hatte ihre Hintergedanken nicht bemerkt und ihr mit Stolz von dem Springblut der Stute erzählt, die bereits M-Springen gewonnen hatte. Er war sichtbar erleichtert gewesen, dass sie sich über solche Dinge unterhielten, fast so wie normale Väter und Töchter.
Am Ende des Nachmittags schien er ihr zu vertrauen. Ihrem fröhlichen Lachen, ihren munteren Fragen, ihrem kleinen Schauspiel, mit dem sie verbarg, wie dringend sie fliehen wollte.
Vertraue niemandem, den du zuvor betrogen hast.
Fina stand von ihrem Bett auf, blickte der Reihe nach durch ihre Fenster. Die Bodyguards waren seit heute Nachmittag verschwunden. Anscheinend wollte ihr Vater ihre Leben nicht aufs Spiel setzen. Dafür hatte er Fina darum gebeten, ihre Tür abzuschließen, bevor sie schlafen ging. Bislang hatte sie es noch nicht getan. Der Gedanke, schon wieder in einem kleinen Raum eingesperrt zu sein, gefiel ihr nicht.
Vielleicht würde sie es tun, wenn sie vorhätte, tatsächlich zu schlafen. Aber ihr Plan für diese Nacht sah anders aus.
Es klopfte an der Tür.
Fina fuhr herum. »Wer ist da?« Panik mischte sich in ihre Stimme. Vielleicht hätte sie doch abschließen sollen.
»Ich bin’s nur.« Ihre Mutter öffnete die Tür und schaute herein. »Darf ich reinkommen?«
Fina erkannte die Tränen auf Susannes Gesicht. Heulende Mütter waren das Schlimmste. Trotzdem nickte sie. »Klar. Komm rein.«
Susanne trat neben sie ans Fenster. Eine ganze Weile schwieg sie und starrte nur in den Schlosspark hinaus. Immer wieder setzte sie an, um etwas zu sagen … und zögerte dann doch.
Fina wurde wütend. Ihre Mutter sollte nicht neben ihr stehen und herumdrucksen! Sie sollte entweder etwas sagen oder wieder gehen!
Fina wollte es ihr an den Kopf werfen. Aber sie durfte ihre Wut nicht zeigen. Sie musste so tun, als wäre sie die heimgekehrte Tochter, die morgen brav nach Neuseeland fliegen würde.
»Als du dort warst, bei ihm …« Endlich fing ihre Mutter an zu reden, zögerte erneut, bis Fina sie ungeduldig ansah. »War er da allein?«
Fina erstarrte. Wovon sprach sie? Wusste sie etwas
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