Der geheime Name: Roman (German Edition)
Alten stolperte, verfing sich, als würde er aufwachen, als würde er Mora entdecken und feststellen, dass sie verschwunden war. Ihre Beine zuckten bereits, hin- und hergerissen, in welche Richtung sie rennen sollte, und gleichzeitig unschlüssig, Mora tatsächlich im Stich zu lassen.
Doch in der nächsten Sekunde setzte das Geräusch wieder ein, das seltsame, grummelnde Wort, so zufrieden, als wäre nichts geschehen.
Ob Mora schon auf seinem Lager lag? Ob sie ihm endlich folgen konnte?
Wahrscheinlich!
Fina öffnete die Tür und schlüpfte hinein. Ihr Blick streifte Moras Schlafplatz, sah ihn dort liegen und glitt weiter zu der Gestalt des Alten. Er lag unverändert unter seinem Fell. So schnell sie konnte, huschte sie auf ihn zu, legte sich neben ihn und schloss die Augen. Gerade rechtzeitig, bevor sein Schnarchen ein letztes Mal stolperte und in ein ruhiges Atmen überging.
23. Kapitel
F ina konnte kaum einen Bissen herunterbringen, als sie dem Geheimen beim Frühstück gegenübersaß. Er beugte sich tief über seinen Teller, stützte die Ellbogen auf und hielt eine Wildschweinkeule zwischen den Händen. Schmatzend und schnaubend trieb er die Zähne hinein, riss das Fleisch von den Knochen und zerquetschte das Fett zwischen seinen Fingern. In dicken Schlieren rann die Brühe über seine Hände, tropfte von den Gelenken hinab und färbte das Holz der Tischplatte dunkel.
»Warum isst sie nichts?« Er schlürfte die Spucke aus seinen Zahnlücken, schluckte gurgelnd und grinste sie an.
Fina konnte nichts sagen, konnte ihn nur anstarren, während das Alptraumgefühl ihren Hals umklammerte. Es musste einen Weg geben, ihm zu entkommen. Irgendeinen, auf dem auch Mora überleben konnte. Kein Märchen endete mit dem Sieg des Bösewichtes.
»Was ist sie denn so traurig?« Der Geheime ließ seine Keule auf den Teller sinken, richtete sich auf und blinzelte. Plötzlich erschien ein warmes Schimmern in seinen Augen, beinahe wohlwollend strich sein Blick über ihr Gesicht.
Gütig – sein Blick konnte gütig sein. Plötzlich wusste sie, was Mora meinte.
»Sie kann ihm alles sagen, was sie betrübt«, schnurrte der Geheime.
Hastig senkte sie den Kopf. Dies war der Moment, in dem sie es sagen könnte. Aus den Augenwinkeln erkannte sie, wie Mora zu ihr herübersah. Er hockte auf dem Boden neben der Tür, stippte trockenes Brot in seine Gemüsebrühe und schien auf ihre Antwort zu warten.
Fina sammelte ihren Mut, blickte weiter auf ihren Teller und quälte die Worte über ihre Lippen. »Er hat ihr doch etwas versprochen, nicht wahr? Dass er sich aus ihren Träumen heraushält und sie vor der Hochzeit nicht anrührt.«
Der Geheime brummte. »Das hat er wohl. Hat sie ihre Meinung geändert?«
Fina schloss die Augen. Dann hatte Mora recht, dann wusste der Alte tatsächlich nichts von seinen Schandtaten. Sie räusperte sich, zwang sich weiterzusprechen. »Nein, sie hat ihre Meinung nicht geändert. Sie wäre nur sehr froh, wenn der Geheime sich an sein Versprechen halten würde.«
Der Alte sprang auf, sein Stuhl krachte nach hinten – plötzlich erschien er fast groß, wie er so von oben auf sie herabsah. »Was redet sie da? Er hält jedes seiner Versprechen!«
Fina duckte sich, fürchtete zum ersten Mal die Peitsche des Herrn. Dennoch musste sie weitermachen, durfte sich jetzt nicht zur Lügnerin erklären. »Es mag sein, dass es nicht seine Absicht war.« Sie duckte sich noch tiefer. »Aber seine Finger streicheln sie jede Nacht.«
Er trat den Stuhl gegen die Wand. Für eine Sekunde sah sie, wie sein Daumen aufglühte, bevor er sich umdrehte und zur Tür hastete.
Mora sprang vor ihm aus dem Weg, warf sich neben der Tür auf den Boden und zuckte zusammen, als das Männlein sie hinter sich zuwarf.
Gleich darauf erhob Mora sich wieder. Seine Augen funkelten, ein tröstendes Lächeln huschte um seine Mundwinkel.
Fina konnte sich nicht rühren. Ihre Beine würden nachgeben, wenn sie aufstand. Was würde der Alte tun, wenn er zurückkehrte? Würde er sie schlagen, bestrafen für ihre freche Anschuldigung?
Mora trat ein paar Schritte in ihre Richtung, so aufrecht, dass er beinahe die Deckenbalken streifte. Er lächelte noch immer, schien mit dem zufrieden zu sein, was sie dem Herrn gesagt hatte. Sein Gesicht wirkte weich und glatt an diesem Morgen, so als wäre er schon in der Dämmerung beim Bach gewesen, um sich zu rasieren.
Fina schluckte. Sie wollte bei ihm sein, wollte ihn berühren, mit ihm reden.
Doch Mora
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