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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
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rannte, kam sie kaum vorwärts und musste um jeden Meter kämpfen. Das Ohrensausen verwandelte sich, wurde zu einem Schnarchen, zu zwei langgestreckten Silben, die sich immer wiederholten: Grrrruuumml-scrrrraaaat, Grrrruuumml-scrrrraaaat.
    Plötzlich wusste sie, dass es einen Ausweg gab. Sie musste nur schneller sein, schneller als das Gold, das Moras Herz und seine Lunge nicht erreichen durfte.
    »Ich kenne seinen Namen!«, rief sie dem Alten zu.
    Der Wicht riss den Mund auf. Starrer Schreck überfiel sein Gesicht.
    Fina sprang von dem Steg auf festen Boden, taumelte und fing sich ab, darauf bedacht, nicht in die Reichweite seiner tödlichen Hände zu geraten. »Sein Name ist Grummelscrat!«
    Der Geheime erstarrte. Seine riesigen Augen blickten sie ungläubig an.
    Finas Herzschlag raste.
    Was, wenn er jetzt auflachte? Wenn sie sich getäuscht hatte?
    Doch sein Blick verwandelte sich, blanke Angst erschien darin. Er fasste sich an die Brust und schrie auf, ein grausiges, krächzendes Brüllen, das sich mit Moras Schrei vermischte.
    Fina sah hastig zu Mora. Sie erkannte noch das Gold, das seine Hüfte umfing, kurz bevor es sich über seine Beine zurückzog und ihn freigab.
    Moras Schrei verstummte, er sackte auf dem Pfad zusammen. Doch der Todesschrei des Alten hallte in einem endlosen Kreischen durch den Wald. Seine Gestalt wurde durchsichtig, hob vom Boden ab und tanzte durch die Luft. Plötzlich zerfiel sie zu einer Aschewolke. Für eine Sekunde klebten die Partikel noch in der Form seines Körpers zusammen – dann stoben sie auseinander und wehten über die Torfstiche davon. Auch sein Schrei wurde mitgerissen, driftete in alle Richtungen auseinander und verhallte in der Ferne.
    Schließlich blieb nur noch das Rauschen des Windes und das Gluckern des Moores, das Plätschern des Grundlosen Sees, dessen Wellen rhythmisch gegen das Ufer schlugen.
    Finas Blick fing sich auf einem winzigen Gegenstand, der noch vor ihr in der Luft hing, genau dort, wo bis eben die Hand des Geheimen gewesen war. Das Ding fiel herunter, schlug gegen eine Baumwurzel, sprang klirrend zur Seite und kam in einem Moosnest zur Ruhe.
    Es war ein goldener Ring.
    Fina ging darauf zu, starrte ungläubig auf das winzige Schmuckstück. Der Geheime hatte sich in Luft aufgelöst. Einfach so? Nur, weil sie seinen Namen ausgesprochen hatte? Sie konnte nicht glauben, dass es so einfach war.
    Fina hob den Kopf und sah sich um. Vielleicht hatte er nur seine Gestalt gewechselt, womöglich tauchte er woanders wieder auf und wartete nur darauf, dass sie ihm in die Falle gingen. Fina hatte nie gesehen, wie er sich unsichtbar machte. Vielleicht sah es so aus, wenn er sich seinen Tarnzauber überstülpte.
    Sie geriet in Panik, wirbelte herum und suchte nach ihm. Sie hatte ihn geheiratet, hatte ja gesagt. Wenn er zurückkehrte, würde sie ihm gehören!
    Doch sie erkannte nur den Wanderweg hinter den Torfstichen. Das Moor hatte sich verwandelt, hatte wieder die zahme Gestalt angenommen, die es in der realen Welt besaß. Nur Mora war noch immer hier, auf dem Boden zusammengesunken, aber lebendig. Das Gold an seinen Beinen war verschwunden. Fina ging langsam auf ihn zu.
    Plötzlich dachte sie an den Pfarrer. Ihr Blick huschte noch einmal über das Moor, suchte nach ihm und hoffte, dass auch er von dem Goldzauber befreit war.
    Doch dort, wo er in den Torfstich gefallen war, war keine Spur mehr zu sehen. Selbst wenn das Gold ihn freigegeben hatte, und auch, wenn sein Herz wieder begonnen hätte zu schlagen – wäre er wohl längst in den Tiefen des Moores ertrunken. Er war für sie gestorben, vollkommen unschuldig. Fina hob ihre Hand und schlug ein zaghaftes Kreuz, das Letzte, was sie jetzt noch für ihn tun konnte. »Es tut mir leid«, murmelte sie.
    Ihre Beine zitterten, als sie sich zu Mora umdrehte. Er hatte sich aufgesetzt und lehnte an einer Birke. Seine schwarzen Augen blickten durch sie hindurch, kehrten nur langsam aus der Ferne zurück und sahen sie an.
    Fina fiel neben ihm auf die Knie, lehnte ihre Stirn an seine Schulter und sackte an seiner Brust zusammen.
    Moras Hände schoben sich über ihren Rücken, streichelten ihre Haare.
    »Ist er wirklich fort?« Fina flüsterte in die Dunkelheit seiner Umarmung, ihre Tränen perlten über seine Haut.
    Mora antwortete nicht. Er strich nur über ihre Wange, legte die Hände an ihre Schultern und zog sie an sich. Fina ahnte seine schmerzvolle Bewegung, fühlte die Schwäche in seinen Armen.
    Seine Finger streiften

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