Der geheime Name: Roman (German Edition)
den Stoff ihres Kleides, raschelten darin und erinnerten sie daran, dass sie noch immer das Brautgewand trug.
Doch das grelle, goldene Strahlen war verschwunden. Ihr Kleid war grün: besetzt mit Spitzen und Perlen, in der Farbe von dunklem, schimmerndem Moos.
Ein leises Keckern drängte sich zwischen sie.
Fina rückte zur Seite. Sie strich die Tränen aus ihren Augen und betrachtete das Eichhörnchen, seinen wippenden, buschigen Schwanz, während es Moras Arm hinaufhuschte und sich auf seine Schulter setzte.
Mora streichelte das weiche Fell, doch sein Blick blieb bei Fina. Das Schwarz seiner Augen erschien weit und ließ sie ahnen, welcher Schmerz ihn quälte.
»Lass uns gehen«, flüsterte sie.
Mora nickte. Er streichelte das Eichhörnchen ein letztes Mal und setzte es zurück auf den Boden.
Fina stand auf, reichte ihm die Hand und half ihm hoch. Sie musste ihn stützen, während sie auf die Stelle zugingen, an der eben noch das Salztor geleuchtet hatte.
Doch das Salz war verschwunden.
Fina hoffte, dass sie es nicht mehr brauchten, dass sich alles aufgelöst hatte, was dem Zauber des Geheimen entsprang. Auch sein Tarnkreis.
Plötzlich fiel ihr Blick auf das kleine Moosnest, in dem noch immer der goldene Ring lag. Fina bückte sich und hob ihn auf. Er fühlte sich warm an, ein seltsames Kribbeln flüsterte durch ihre Finger. Für einen Moment war sie versucht, das Ding wieder loszulassen. Doch sie verdrängte ihr Unbehagen und betrachtete den Ring von nahem. In seiner Innenseite war etwas eingraviert. Zwei Namen: Susanne und Robert.
Finas Nackenhaare stellten sich auf.
Mora beugte sich zu ihr, sein Kinn berührte ihre Schulter. »Den hat er Tag und Nacht getragen. Im Schlaf hat er ihn oft berührt.«
Fina wog den Ring in ihrer Hand. Vielleicht sollte sie ihn in einen der Torfstiche werfen, damit er für immer versank und kein Unheil mehr über sie bringen konnte. Doch schließlich nahm sie den Ring und schob ihn mit einer langsamen Bewegung über ihren Finger. »Er ist von meiner Mutter.«
26. Kapitel
D er Weg nach Hause war noch niemals so lang gewesen. Mora konnte sich kaum aufrecht halten, und Fina versuchte, ihn zu stützen, so gut sie konnte. Doch seine Beine gaben immer wieder nach und ließen ihn auf die Knie sinken. Dann blieben sie gemeinsam am Boden sitzen, hielten sich im Arm und warteten, bis seine Kräfte wieder ausreichten, um weiterzulaufen.
Schließlich erreichten sie die Stelle, an der sie aus dem Wald hinausgehen und für eine Weile am Feldrand entlanglaufen mussten, wenn sie zurück nach Ebbingen wollten. Mora blieb stehen, genau dort, wo er den Wald mit seinem nächsten Schritt verlassen musste. Wenn es den Tarnkreis des Herrn noch gab, dann würden sie das Feld niemals erreichen. Mit ihrem nächsten Schritt würde sich nur der Baumbewuchs ändern, und sie wären auf der anderen Seite des Waldes, für immer unter der Tarnglocke gefangen.
Mora sagte nichts, doch Fina spürte, wie er anfing zu zittern. Sie nahm ihn in die Arme, strich über seine Haare und schmiegte ihr Gesicht in seine Halsbeuge. »Wir gehen zusammen. Wir schließen die Augen, gehen einen Schritt und schauen dann, ob wir es geschafft haben.«
Mora atmete tief ein. Sie fühlte den Luftzug in ihren Haaren. Schließlich nickte er.
Sie lehnten sich aneinander, schlossen die Augen und gingen vorwärts. Die Geräusche blieben gleich: das Zwitschern der Vögel, das sich so anhörte, als würde der Frühling endlich beginnen, das kühle Windrauschen in den Kiefernzweigen und dazwischen das Klopfen eines Spechtes. Nur aus der Ferne kam ein Rauschen, das sich schnell näherte, ein Geräusch, das Fina kannte und das sie doch schon lange nicht mehr gehört hatte.
Mora zuckte zusammen, aber Fina atmete auf. »Das ist ein Auto!« Sie lachte, öffnete die Augen und blickte auf das Feld hinaus, auf ein rotes Auto, das dahinter über die Landstraße raste. »Sieh es dir an!« Sie drückte Moras Hand.
Mora blinzelte, riss schließlich die Augen auf und starrte auf das schnelle Gefährt, das gerade hinter dem Wald verschwand. Ein leises Keuchen wich aus seiner Kehle.
»Wir haben es geschafft!« Fina strahlte ihn an. »Wir sind in meiner Welt!«
Mora starrte noch immer auf die Stelle, an der das Auto verschwunden war. Eine Sekunde lang war er sprachlos, abwesend, dann sah er sie an und erwiderte ihr Lächeln: »Das war ein Auto?« Seine Augen leuchteten wie bei einem kleinen Jungen, der einen ferngesteuerten Polizeiwagen
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