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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
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Es gab nicht viel, was sie ihr sagen wollte. Nur das eine: »Wir haben ihn besiegt. Sein Name war Grummelscrat. Er hat sich tatsächlich in Luft aufgelöst, wie in dem Märchen.«
    * * *
    Es war ein seltsames Heimkommen, als sie durch die Tür in den Flur der Mühle traten. Mora stützte sich so schwer auf Finas Schulter, dass ihre Kraft kaum noch ausreichte. Doch die Stärke in ihrem Inneren glühte umso heftiger. Ihre Oma kam aus der Küche auf sie zu, auch die Wohnzimmertür öffnete sich, und ihr Vater erschien vor ihnen.
    Fina spürte Moras Angst vor den fremden Menschen. In jedem Schritt lag seine Scheu und machte ihr klar, dass sich nicht nur sein Körper auf sie stützte. Sie durfte ihn nicht enttäuschen, musste alles tun, um ihn zu schützen.
    Ihre Oma blieb direkt vor der Küche stehen, schien die Stimmung zu spüren und zu wissen, dass sie ihnen nicht zu nahe treten durfte. Doch ihr Vater kam langsam auf sie zu. Er sah Mora an, musterte ihn vorsichtig, aber so gründlich wie jemand, der es gewohnt war, schwierige Situationen einzuschätzen. »Wer ist das?« Seine Frage klang freundlich, ohne Vorwurf und dennoch so, als gäbe es keinen Weg, ihr zu entrinnen.
    Fina schluckte. Hieß das, ihr Vater wusste nichts von Mora? Gab es tatsächlich noch eine Lüge, die ihre Mutter ganz für sich behalten hatte? Sie deutete auf Susanne, die wie ein Schatten hinter ihnen zur Tür hereinkam. »Das musst du sie fragen.«
    Roberts Blick wanderte weiter, richtete sich fragend an seine Frau.
    Fina wollte nicht länger dabei sein. Nicht jetzt, nicht mit einem verstörten Mora in ihrem Arm. »Wir gehen nach oben. Lasst uns bitte eine Weile in Ruhe!« Sie schob Mora an ihrem Vater vorbei zur Treppe.
    Der Flur im oberen Stockwerk kam ihr auf einmal eng vor. Sie fragte sich, wie es auf Mora wirken musste, ob er sich in einem solchen Haus geborgen fühlte oder ob es ihm wie ein Gefängnis anmutete.
    Einen Moment lang wusste sie nicht, was sie jetzt mit ihm tun sollte. Er musste sich ausruhen, schlafen, seine Wunden mussten versorgt werden. Doch Dreck und Blut vermischten sich zu einer Kruste auf seiner Haut und verklebten seine Haare, unmöglich zu sehen, wie schlimm es tatsächlich war.
    Fina wurde sich plötzlich klar darüber, dass sie ihn nicht zum Arzt bringen konnten, nicht, wenn es nicht unbedingt sein musste. Denn, wie sollten sie erklären, was mit ihm passiert war? Die Wahrheit ließ sich unmöglich erzählen, und nicht einmal seine Herkunft konnten sie nachweisen. Er war ein braunhäutiger Junge ohne Pass und mit dunkler Vergangenheit. Der Weg zum Arzt würde ihn gnadenlos den Ausländerbehörden ausliefern.
    Fina schauderte. Sie musste selbst herausfinden, wie ernst seine Verletzungen waren. Gleichzeitig spürte sie das Bedürfnis, den ganzen Dreck von ihrer Haut zu waschen, diese merkwürdige Geschichte unter dem warmen Strahl einer Dusche hinwegzuspülen.
    Vor dem Badezimmer drehte sie sich zu Mora. »Bist du müde?«
    Mora zuckte die Schultern. »Ich kann jetzt nicht schlafen.«
    Fina ahnte, was er meinte. Er fühlte sich nicht sicher. Selbst wenn er todmüde wäre, würde er es nicht wagen einzuschlafen.
    Fina strich über seine Wange. »Wenn du noch ein bisschen Kraft hast, dann zeige ich dir was.«
    Moras Augen waren weit im Halbdunkel des Flures, dennoch schien es, als würde eine Spur von Neugierde darin aufleuchten. »Solange du bei mir bist …«
    Fina lächelte. Sie griff nach seiner Hand und führte ihn ins Badezimmer.
    * * *
    Alles in ihrem Menschenhaus war verwunderlich. Das glatte, ebene Holz auf dem Boden, die kunstfertige Stiege, die sie hinaufgingen, und die gedrehten Stäbe, die ihr Geländer hielten. Doch am wundersamsten war der Raum, in den Fina ihn dann führte: die glänzenden blau-weißen Karos an den Wänden, in denen sich das Licht spiegelte, die durchsichtige Tür, die Fina zur Seite schob und hinter der eine kleine Kammer lag.
    Fina ließ seine Hand los. Sie löste die Schnürung des grünen Kleides und hob es an. Nach und nach kam ihre Haut darunter hervor, bis sie es über den Kopf zog und nackt vor ihm stand. Mora sah sie an, konnte den Blick nicht mehr von ihr abwenden – und zum ersten Mal, seitdem sie das Moor verlassen hatten, spürte er, wie lebendig sein Herz noch schlug.
    Als Fina sich zu der durchsichtigen Kammer umdrehte, erkannte er die roten Streifen auf ihrem Rücken, dort wo der Herr sie geschlagen hatte. Er streckte die Hand danach aus, strich in der Luft darüber, als

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