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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
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Baby ausgeliefert, hatte ihn in die Gewalt eines Monsters gegeben. Kein Wunder also, dass sie von furchtbaren Träumen verfolgt wurde und rastlos von einem Ort zum nächsten fliehen musste.
    Nur flüchtig nahm Fina wahr, wie der Herr die Höhle verließ. Reglos hielt sie das goldene Kleid in den Händen und starrte darauf. Plötzlich kam es ihr richtig vor, den Alten zu heiraten. Es wäre ihre Bestimmung gewesen, in diesem finsteren Wald und dem nebligen Moor aufzuwachsen, es wäre ihr Leben gewesen, zwischen goldenen Käfigen und der Peitsche des Herrn.
    Mora hatte das alles für sie ertragen, hatte sie trotz ihres Verrates geliebt. Jetzt war es an der Zeit, dass sie ihre Schuld allein trug.
    Aber vor allem war es eine gerechte Strafe für ihre Mutter, wenn sie ihre Tochter nun doch noch verlor!
    Fina zog sich aus, streifte das goldene Kleid über ihre nackte Haut. Es fühlte sich kalt an, so starr wie das goldene, leblose Mädchen. Fast mutete es Fina wie ein Schutzschild an, das ihren Körper kalt halten würde.
    Nacht für Nacht würde sie von nun an bei dem Alten liegen. Er würde ein Kind mit ihr zeugen, das sie austragen musste, ein hässliches Monster, das in ihrem Körper heranwachsen sollte.
    Doch wenn sie so kalt blieb wie in diesem Augenblick, würde sie all das ertragen.
    Fina schloss die Schnürung des Gewandes über der Brust, sah sich um und bemerkte die beiden goldenen Skelette, die sie bei ihrem ersten Besuch in der Goldkammer entdeckt hatte. Die goldenen Mädchen waren bei weitem nicht die einzigen Toten in der Höhle. Nicht weit von der Truhe entfernt lag ein goldener Junge, etwas jünger als Mora.
    Hatte der Alte um all diese Kinder einen Pakt geschlossen? Oder hatte er sie einfach über sein Salztor gelockt?
    In jedem Fall würde es ein Ende haben, wenn sie ein Baby von ihm bekam. Wenn er endlich einen Erben hatte und sterben konnte.
    Für einen winzigen Moment geriet sie ins Schwanken. Die Kälte wollte aus ihr herausfließen, drohte etwas anderes in die Leere hineinzuziehen, ein Gefühl, eines, das sie nicht zulassen durfte …
    Finas Blick fiel auf einen Schlüsselbund neben der goldenen Truhe. Es war der Schlüsselbund des Herrn, achtlos zur Seite gelegt, als er das Gewand hervorgeholt hatte.
    Der Schlüssel für Moras Käfig hing daran!
    Wenn er noch leben würde, könnte sie ihn befreien. Dann könnten sie versuchen zu fliehen.
    Aber Mora war tot – und ohne ihn würde sie nicht fliehen.
    Dennoch hob Fina den Schlüssel auf, ging zu seinem Käfig und öffnete das Schloss. Zum ersten Mal war sie nah genug, um sein bleiches Gesicht zu sehen, das getrocknete Blut, in dem er lag. Sie ging neben ihm in die Hocke, wollte wenigstens sein Haar noch einmal streicheln, wünschte sich, seinen Mund noch einmal zu küssen.
    Weiter hinten drang ein Lichtstrahl in die Höhle, die Stiefel des Herrn knirschten auf der Leiter.
    Fina sprang auf, wich vor Moras Käfig zurück und warf den Schlüssel zurück neben die Truhe. Sie zog die Schnürung des Gewandes noch einmal auf, bemerkte, wie der Wicht auf sie zukam, und knotete das goldene Band zu einer neuen Schleife.
    Der Geheime hatte sich ebenfalls umgezogen. Er trug einen Anzug aus Gold. Seine Augen wurden weit, als er vor ihr stehen blieb. Das goldene Funkeln ihres Kleides spiegelte sich in seinen Augäpfeln, ließ sie ahnen, wie schön sie darin aussah.
    Er räusperte sich, seine Stimme krächzte: »Sie ist so weit. Sehr gut.« Für eine Sekunde schien sein Blick weich zu werden.
    Doch gleich darauf packte er ihr Handgelenk, führte sie aus der Höhle und zerrte sie durch das nasse Laub.
    Mit jedem Schritt zog sich ihre Wahrnehmung weiter aus der Gegenwart zurück. Sie fühlte kaum noch die Hand, die das Blut aus ihrem Handgelenk presste, erkannte kaum den Weg, den sie gingen. Nur schwach nahm sie die dunklen Tümpel und die Bretterwege wahr, als sie den Moorwald erreichten. Ihre Gedanken wichen allem aus, was mit ihr geschah, gingen die letzten Stunden durch und betrachteten die Bilder so teilnahmslos wie das Fotoalbum einer Fremden: Sie erkannte Moras verrenkte Haltung in dem Käfig, sah noch einmal zu, wie der Herr mit den Stiefeln auf ihn eintrat. Sie bemerkte das Blut, das über den Rücken des Mädchens lief, beobachtete, wie es dunkle Streifen in ihren Pulli zeichnete.
    Sie verharrte in dem Moment, bevor der Herr in der Goldkammer auftauchte: Zum allerletzten Mal kehrte sie in ihren Körper zurück, spürte Moras Haut auf ihrer, schmeckte

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