Der geheime Name: Roman (German Edition)
könnte er es damit ungeschehen machen.
Fina bemerkte es nicht. Sie drehte sich zu ihm um und lächelte. Ihre Hände legten sich an seine Seiten, lösten das Hüfttuch und ließen es herabfallen. Für einen Moment waren seine Schmerzen verschwunden, während Fina ihn in die durchsichtige Kammer führte und sich ganz eng zu ihm stellte. Sie nahm einen silbernen Griff in die Hand, drehte an einem silbernen Rad, und plötzlich spritzte Wasser daraus hervor.
Mora stieß einen leisen Laut aus, sprang zurück und musste lachen. Fina sah zu ihm auf. Sie hängte den Griff an eine silberne Stange und zog Mora zu sich.
Das Wasser lief über seinen Kopf, über seinen Körper. Er stöhnte auf, wartete auf den eisigen Schmerz, auf das Brennen in seinen Wunden. Aber das Wasser tat nicht weh. Es war wärmer als seine Haut – und es fühlte sich schön an, sanfter noch als das Streifen des Windes, weicher als das Fell eines Tieres.
Doch am zärtlichsten waren Finas Hände, während sie zusammen mit dem Wasser über seine Haut strichen. Es war ein unwirkliches Gefühl, Arm in Arm mit ihr hier zu stehen, in dieser durchsichtigen Kammer, deren Wände mit grauem Nebel beschlugen. Er fühlte ihren Körper an seiner Haut und gleichzeitig seine Schmerzen, die noch da waren – nicht in den offenen Wunden, wie die Peitsche sie hinterlassen hatte, sondern tiefer, unter seiner Haut, dort wo die Stiefelspitze des Herrn ihn ein ums andere Mal getreten hatte.
Sie standen lange so da, dicht an dicht, während Finas Hände durch seine Haare strichen. Manchmal glaubte er, dass das verbotene Gefühl unter ihren Berührungen hervorkommen müsste. Aber dieser Augenblick war anders. Sie mussten sich nur festhalten, mussten nur fühlen, dass der andere noch da war, während das Wasser die Grausamkeit des Herrn von ihrer Haut spülte. Sie blieben so stehen, bis das Wasser kalt wurde und Fina es ausdrehte.
Dennoch dauerte der seltsame Moment an … Sie hüllten sich in große Tücher, und Fina führte ihn in ein anderes Zimmer. Dort gab sie ihm warme Kleidung und zeigte ihm ein weiches Lager. Ein unwirkliches Gefühl erfüllte Moras Gedanken, so als würden sie träumen, als könnten sie jede Sekunde daraus erwachen und wären wieder in der Hütte des Geheimen.
Doch die Sekunde kam nicht. Sie blieben hier und krochen zusammen auf das warme Lager. Fina hüllte sie in weiche Decken und kuschelte sich an ihn. Mora fühlte, wie die Müdigkeit an ihm zog, wie sie versuchte, ihn fortzureißen. Aber er wollte nicht schlafen, wollte diesen Moment nicht verlieren.
Wenn es doch nur möglich wäre, für immer in diesem Augenblick zu verharren … Er lehnte seine Stirn an Finas Schulter, atmete ihren Duft ein und schloss die Augen.
* * *
Fina schlich sich aus dem Zimmer, als Mora eingeschlafen war. Ganz langsam ging sie die Treppe nach unten und lauschte den Stimmen, die leise aus dem Wohnzimmer hervordrangen. Es waren ihre Eltern. Vor allem ihre Mutter, in deren Stimme noch immer Tränen mitschwangen, und gelegentlich ihr Vater, der in ernstem Ton dazwischenfiel. Vor allem in seinem Tonfall lag etwas, was Fina Unbehagen bereitete – eine Spur von Verzweiflung, die kaum zu der Sicherheit passte, die er bislang in ihrer Gegenwart ausgestrahlt hatte. Was ihre Mutter ihm zu erzählen hatte, musste schlimm sein, wenn es selbst ihn aus der Fassung brachte.
Fina blieb im Flur vor der Wohnzimmertür stehen. Sie atmete den Essensgeruch ein, der aus der Küche zu ihr strömte. Es roch nach geschmolzenem Käse, nach einem warmem Auflauf mit Fleisch und Kartoffeln. Finas Magen fing an zu knurren, und das Wasser lief ihr im Mund zusammen. Sie fragte sich, ob ihre Großmutter auch bei ihren Eltern war, während der Auflauf im Ofen brutzelte.
Doch als sie sich umdrehte, stand Oma Klara in der Küchentür. Sie wischte ihre Hände an einem Handtuch ab und lächelte Fina zu. »Wie geht es ihm?« Sie nickte zur Treppe.
Fina schluckte. Ihre Kehle sperrte sich gegen die Worte, brachte sie nur als leises Krächzen hervor: »Er schläft.«
Das Herzgesicht ihrer Oma wirkte besorgt. »Und seine Verletzungen? Er sah schlimm aus. Soll ich ihn mir ansehen?«
Fina schüttelte zögernd den Kopf. »Nein. Er hat noch Angst vor euch. Ich denke, er schafft es auch so. Es sieht schon viel besser aus, nachdem wir das Blut abgewaschen haben. Er hat nur ziemlich böse Prellungen.«
Ihre Oma nickte. »Dann gebe ich dir eine Salbe dagegen. Ich habe etwas, das den Schmerz
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