Der geheime Name: Roman (German Edition)
Füßen auf den Boden.
Der Schmerz pulsierte durch Finas Körper, dumpfer, quälender Schmerz, dessen Ursprung sie nicht ausmachen konnte. Fina fing an zu zittern. Was hatte der Fremde mit ihr angestellt? Sie war bewusstlos gewesen. Jetzt war sie nackt, und ihr Körper schmerzte.
»Sie hat …« Der Fremde hielt noch immer den Kopf gesenkt. Seine Stimme bebte, als hätte er ebensolche Angst wie sie: »Sie hat Schmerzen in ihrem Bein. Es will ihr nur helfen.«
Fina starrte ihn an. Er duckte seinen Kopf so tief, dass sie nur seinen schwarzen Haarschopf sehen konnte. Seine Hände zitterten, als er ihr den Gegenstand darin entgegenstreckte. Es war eine Holzschale. »Das ist gut. Gegen die Schmerzen.« Seine Stimme klang rauh.
Er hatte Angst, tatsächlich. Genauso viel Angst wie sie vor ihm. Fina riskierte einen Blick in seine Holzschale. Eine grünliche, feuchte Masse klebte darin.
Erst jetzt hob er den Kopf und sah sie an. Seine schwarzen Augen schimmerten, blickten Fina so klar und ehrlich an, dass sie den Rest seines struppigen Gesichtes für einen Moment vergaß.
Plötzlich erinnerte sie sich an ihren Sturz und den Schlag auf ihr Schienbein. Daher musste der Schmerz kommen. Und dieser Fremde wollte ihr womöglich wirklich nur helfen. Sie betrachtete die seltsame Pampe in der Schale. Die Furcht pochte in ihrem Brustkorb, dennoch streckte sie ihr verletztes Bein wieder aus.
Der Fremde beugte sich darüber, hielt mit der einen Hand ihren Knöchel und strich mit der anderen den Matsch auf ihr Schienbein.
Fina schloss die Augen. Sie presste die Zähne aufeinander, erwartete eine harte Berührung, weitere Schmerzen, fürchtete jeden Moment, dass er ihren nackten Körper zu sich zog und in seine Gewalt zwang.
Doch seine Berührung fühlte sich weich an, beinahe zärtlich, während er die Schmerzen unter einem eiskalten Mantel verschwinden ließ.
Schließlich spürte Fina, wie das Fell wieder über ihr Bein gedeckt wurde.
Überrascht öffnete sie die Augen, streifte seinen Blick, der offenbar schon länger auf ihr ruhte.
Verwirrung huschte über sein Gesicht. Hastig senkte er den Kopf und stand auf.
»Wer bist du?« Die Frage rutschte Fina heraus, noch bevor sie darüber nachgedacht hatte.
Der Fremde sah sie flüchtig an. Wieder zuckte ein Krausen über seine Stirn, noch verwirrter als zuvor. Mit schnellen Schritten ging er um das Feuer herum, bis er halb von den Flammen verdeckt war.
»Jetzt sag schon! Wer bist du? Wo bin ich hier?«, rief Fina ihm nach.
Der Fremde hielt seinen Blick gesenkt, als wollte er sich hinter dem Feuer verstecken.
Fina schauderte. Er wollte ihr keine Antworten geben. Also musste es schlimm sein. War sie am Ende vielleicht doch in einer fremden Welt am Grund des Moores?
»Bin ich tot?«, flüsterte sie.
Der Fremde sah durch das Feuer zu ihr herüber. Unter dem Bart und hinter den Flammen konnte sie es nicht genau erkennen – aber fast schien es ihr, als huschte ein kurzes Lächeln über sein Gesicht. Oder war es nur ein Aufblitzen des Feuerscheins in seinen Augen? In jedem Fall schüttelte er kaum merklich den Kopf.
Fina versuchte, sich zu beruhigen. Sie lebte noch. Zumindest, wenn sie seine Zeichen richtig deutete.
Aber wenn sie noch lebte, war dieser Ort umso seltsamer. Eine Erdhöhle mit einem Feuer – ein Mann, der so aussah, als käme er aus der Steinzeit.
War sie in ein Zeitloch gefallen und zehntausend Jahre in die Vergangenheit gestürzt?
Fina schüttelte den Kopf. Sie las eindeutig zu viele Fantasyromane. Falls sie je wieder hier herauskäme, würde sie vielleicht doch noch auf ihre Mutter hören.
Der Fremde wandte sich von ihr ab. Auf einmal wich seine geduckte Haltung einem aufrechten Gang. Während er zu einer Wandnische trat, zeichneten sich die Muskeln an seinen Beinen mit jeder Bewegung ab. Er holte etwas Glänzendes hervor, trug es zur Feuerstelle und hantierte mit einem Kessel, der an einem Metallgestell über den Flammen hing.
Während er den Kessel zu sich herüberschwenkte, zuckten die Muskeln an seinem Oberkörper, sprachen davon, dass er für gewöhnlich viel schwerere Arbeiten verrichtete.
Fina rückte tiefer unter ihre Felle. Was auch immer das für ein Ort war – wenn er sie festhalten wollte, war sie verloren.
Wieder fiel ihr ein, dass sie nackt war.
Der Fremde füllte mit einer Kelle Flüssigkeit in eine glänzende Schale. Schließlich kam er um das Feuer herum auf sie zu. Er kniete sich neben sie, duckte sich in eine demütige Haltung
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