Der geheime Name: Roman (German Edition)
Luft aus. Wenigstens ihre Kamera lebte noch!
Sie hatte den Unsichtbaren fotografiert! Ob auf den Bildern etwas zu sehen war?
Fina hielt den Atem an. Sie war kurz versucht nachzusehen.
Aber dann schüttelte sie den Kopf und schlüpfte hastig ins Haus.
8. Kapitel
F inas Bein schmerzte höllisch, als sie endlich in ihrem Bett lag. Wie im Fieber drehten sich ihre Gedanken im Kreis, ließen Wachsein und Traum ineinander verschwimmen, bis sie nicht mehr unterscheiden konnte, in welcher Welt sie sich befand. Immer wieder stürzte sie ins Moor, sah den Himmel und den Grund an sich vorbeiwirbeln und wurde nach unten gerissen. Ein kurzer, schrecklicher Moment, bevor jemand sie auffing, bevor die Arme sie festhielten. Sie erkannte die schwarzen, klaren Augen des Fremden und bemerkte eine salzige Note in seinem Geruch. Seine Muskeln bewegten sich unter der dunklen Haut. Immer stärker wurde ihr Drang, das warme Sommerbraun zu berühren und die Regung darunter zu fühlen. Doch jedes Mal, wenn sie ihre Hand danach ausstreckte, verschwand das Bild, und sie fiel erneut, sah das Moor an sich vorbeiziehen und spürte, wie sie aufgefangen wurde. Mit jedem Mal verharrte sie länger in der Umarmung, versuchte, mehr von seinem Geruch zu erhaschen.
Finas Herz raste, als sie endlich aus dem Traum auffuhr, ihr Atem keuchte, Schweiß klebte auf ihrer Haut. So oft war sie gefallen …
Von draußen strömte Sonnenlicht in ihr Zimmer. Doch der Duft des Fremden hing noch in ihrer Nase, ein vertrauter Geruch, in dem sie die salzige Note des Moores wahrnahm.
Der geheime Traum! Hatte sie immer schon von diesem Fremden geträumt? Von dem Jungen im Moor?
Fina kuschelte sich tiefer in ihr Bett, umarmte ihre Decke und zog sie fest um ihren Körper. Konnte es wirklich sein, dass sie ihren Traum gefunden hatte? Ihr Zuhause?
Ein eisiger Schauer glitt über ihren Rücken. Der Fremde war ein Wilder, ein Verrückter! Er hauste im Wald, in einer Erdhöhle, kleidete sich wie Tarzan und war so dreckig und verzottelt wie ein Straßenköter. Er jagte sie, entführte sie und zog dann unterwürfig den Kopf ein, als hätte er Angst, von ihr geschlagen zu werden.
Er war tatsächlich geschlagen worden, auf furchtbare Weise – die Narben auf seinem Rücken zeugten davon.
Vielleicht hatten seine Eltern ihn misshandelt, hatten ihn übel zugerichtet und so lange gequält, bis er davongelaufen war. Auch wenn es unglaublich klang, aber es sollte angeblich Eltern geben, die so etwas taten.
Aber was für ein Mensch wurde aus jemandem, der so aufgewachsen war? Kein Wunder, wenn er vollkommen irre war.
Fina atmete tief ein. Sie sollte die Finger von ihm lassen, sollte einen möglichst weiten Bogen um den Wald schlagen und ihn vergessen.
Ihr Schienbein schmerzte höllisch, als sie zum Frühstück nach unten humpelte. Fina versuchte gar nicht erst, die Verletzung vor ihrer Großmutter geheim zu halten. Da sie die Wahrheit unmöglich sagen wollte, behauptete sie, sie habe im Wald auf einem Baumstamm balanciert und sei dabei gestürzt.
Oma Klara hob die Augenbrauen. »Und dann hast du den ganzen Tag gebraucht, um hierher zurückzukommen?«
Fina wich ihrem Blick aus. Was sollte sie dazu sagen? Sie war im Morgengrauen aufgebrochen und erst nach dem Dunkelwerden zurückgekommen. Kein Wunder also, wenn ihre Großmutter sich Sorgen machte. »Nein. Ähm. Das ist erst am Abend passiert. Und dann kam jemand vorbei, der mir geholfen hat.«
Der Blick ihrer Großmutter wurde noch sorgenvoller. »Aber nicht der Entführer, oder?«
Fina lachte auf. Der Entführer … ein Unsichtbarer … einer, der ihr im Moor auflauerte. Der Gedanke wirbelte durch ihren Kopf, ihr Lachen rutschte ab, klang für eine Sekunde hysterisch, bevor sie sich fing. »Nein. Also, wenn es mein Entführer gewesen wäre, dann wäre ich jetzt wohl nicht hier.« Sie räusperte sich, musste irgendetwas erfinden, was harmlos klang. »Er war nett. Und er war in meinem Alter.«
»Aha.« Das Gesicht ihrer Oma entspannte sich, formte sich zu einem vielsagenden Schmunzeln. »Und? Triffst du ihn wieder?«
Das hysterische Lachen wollte Fina erneut herausrutschen, ließ sich gerade noch zurückhalten.
Ob sie sich wieder mit dem Unsichtbaren traf?
Sie müsste nur noch einmal ins Moor gehen. Dort würde er sein und auf sie warten.
Ein wehmütiges Gefühl zog durch Finas Brust. »Ich weiß nicht.« Sie sprach leise. »Wenn wir uns noch mal über den Weg laufen.«
Für einen Moment konnte sie nicht erklären,
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