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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
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wollen, ob Mora die Gemüsesorten kannte. Doch jetzt war es das Einzige, was sie zum Essen zubereiten konnte, selbst wenn er es gar nicht mitbekam.
    Also schnitt sie das Gemüse in das kochende Wasser und würzte es mit dem restlichen Salz, das noch übrig war, nachdem sie sich im Moor ein Tor gestreut hatte. Aber besonders elegant konnte sie mit den schweren Gerätschaften nicht kochen. Sie schaffte es kaum, den Kessel hin und her zu bewegen, geschweige denn, ihn auszuhängen, um die Suppe zur Seite zu stellen. Ihr blieb schließlich nichts anderes übrig, als das Gemüse aus der Brühe herauszuschöpfen, damit es über dem Feuer nicht verkochte.
    In den kurzen Momenten, in denen Mora wach war, flößte sie ihm einige Löffel von dem Eintopf ein. Aber meistens wies er das Essen nach wenigen Bissen zurück und legte sich wieder hin, um zu schlafen.
    Schließlich fand Fina in ihrem Rucksack etwas, von dem sie gar nicht wusste, dass sie es dabeihatte: einen älteren Band ihres Tagebuches. Irgendwann in der letzten Woche hatte sie darin gelesen und das Büchlein hinterher auf ihren Nachttisch gelegt. Offenbar hatte sie es zusammen mit den anderen Sachen eingepackt, ohne dass es ihr aufgefallen war.
    Jetzt setzte sie sich auf ein Schaffell neben Moras Lager und blätterte in dem Tagebuch herum. Es war das erste Buch an ihre Großmutter, das sie vor fünf Jahren in Schweden geschrieben hatte. In dem Buch ging es vor allem um Kristin, um ihre letzte, richtige Freundin, ihre beste Freundin überhaupt, die sie dort gefunden und am Ende wieder verloren hatte.
    Ohne darüber nachzudenken, schlug Fina den Anfang des Buches auf und fing an, dem Schlafenden daraus vorzulesen.
    * * *
    In einem endlosen Strom zogen ihre Zauberformeln über ihn hinweg, drangen in seine Träume vor und berührten seinen Geist, der sich tief in der Dunkelheit verfangen hatte. Der Tod lauerte in der Schwärze, er fühlte ihn, spürte seinen Sog und den Drang, den Widerstand endlich aufzugeben. Doch ihre Stimme wurde mit jedem Wort lauter, fing seinen geschwächten Geist auf und wollte ihn daraus hervorziehen.
    Der Kampf währte lange, so schien es ihm. Für kurze Momente gewann ihre Stimme. Dann sah er das Weibchen neben seinem Lager sitzen. Er fühlte ihre Arme an seinem Oberkörper, öffnete den Mund, wie sie es verlangte, und schluckte, was sie ihm gab.
    Doch die Augenblicke waren zu kurz, bevor die schwere Dunkelheit wieder nach ihm griff und ihn in die Tiefe zog. Nur ihre Zauberformeln setzten wieder ein, hielten die Verbindung zu ihm und versuchten, seinen Geist zurück ins Leben zu rufen.
    Immer wieder nannte ihre Stimme seinen Namen und erinnerte ihn daran, wer er war. Mora wollte bei ihr sein. Zum ersten Mal ließ er es zu, sich etwas zu wünschen, bis er schließlich spürte, dass die Dunkelheit um ihn herum abnahm. Ihre Stimme wurde deutlicher, die Worte ihrer Zauberformeln traten klarer hervor und ließen es dennoch nicht zu, dass er sie verstand. Ihre Formeln waren durchdrungen von den fremden Worten: ich, wir, meine. Mora wollte begreifen, wollte endlich verstehen, was die Worte bedeuteten.
    Schließlich sprang eine noch stärkere Macht aus ihrem Zauber und ließ Bilder vor seinen Augen entstehen: Er sah einen großen See im funkelnden Licht der Sonne, sah einen dunklen Wald, der das Wasser umhüllte. Zwei Menschen waren dort, lagen im Sand am Ufer und sprangen schließlich ins Wasser. Junge Menschen, Kinder, Weibchen. Sie hatte ein fremdes Wort dafür, das er endlich durchschaute: Mädchen. Eines davon war sie, die junge Zauberin, die jetzt an seinem Lager saß.
    Das Bild zerplatzte, obwohl ihre Worte weiterflossen. Mora lag noch immer in seiner Höhle, auf seinem Lager. Er betrachtete das Weibchen, das etwas auf ihrem Schoß hielt, was er noch nie gesehen hatte. Sie blickte konzentriert in dieses Etwas hinein, als würde sie ihre Formeln daraus hervorholen.
    Es war noch immer ein starker Zauber, den ihre Worte webten. Er konnte das junge Weibchen fühlen, von dem sie sprach, fühlte ihre Freude und ihr Lachen, das sie mit dem anderen Kind teilte. Zu zweit waren sie nicht mehr allein.
    Die Haare des Weibchens leuchteten goldfarben im Schein des Feuers, und ihr Blick schien weit entfernt zu sein, ganz so, als betrachtete sie ebenfalls die fremden Bilder, die ihre Worte erzeugten.
    Mora fühlte sich eigenartig, als er ihr Gesicht betrachtete, so seltsam, dass er das Gefühl herunterschlucken musste. Er konnte nicht aufhören, ihre Lippen

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