Der geheime Name: Roman (German Edition)
ist irgendein Schatten, weit weg!«
Mora stapelte die Äste in schnellem Tempo. »Ich weiß es, weil der Schatten breiter wird. Er tritt von einem Bein auf das andere. Das macht er immer.«
Fina schnappte nach Luft. »Wie kannst du so ruhig bleiben? Wir müssen hier weg!« Sie blickte zum Eingang der Höhle. Er war viel zu weit entfernt.
Mora sah noch einmal zu dem Schatten, stapelte weiter das Holz und schüttelte den Kopf. »Er steht dort schon lange. Er beobachtet uns nur.«
Wie konnte Mora das so genau sehen? Hatte er etwa doch Ausschau gehalten? Trotz seines schnellen Arbeitens? »Wie kannst du so sicher sein?«
Mora drückte ihr den Holzstapel in den Arm und begann, einen neuen auf seinen Arm zu schichten. »Wenn er uns töten wollte, hätte er es längst getan. Wenn er einen von uns jagen wollte, hätte er ihn längst bekommen. Er will etwas anderes.«
Fina starrte noch immer auf den Fleck, versuchte zu erkennen, ob er tatsächlich breiter wurde. Aber sie erkannte nichts. Mora musste die Augen eines Luchses haben. »Was will er?« Fina hauchte nur.
Mora trat mit seinem Holzstapel neben sie. »Bleib ruhig. Wir gehen jetzt zur Höhle, bringen das hier weg und holen den Rest.«
Fina wagte einen Blick auf Moras Gesicht. Seine Wangen waren mit Ruß beschmiert, aber in seiner Miene lagen Trotz und Stärke, während er den blauen Fleck beobachtete. Plötzlich fragte sie sich, wo der unterwürfige Diener geblieben war, den sie kennengelernt hatte. Am Anfang hatte er sich bei dem leisesten Befehlston vor ihr verneigt. Noch vor wenigen Tagen hatte er sich vor der Luke auf den Boden geworfen, als sein Herr dort aufgetaucht war. Was hatte ihn jetzt so verändert?
Mora ließ ihr keine Zeit, darüber nachzudenken. Er lief auf einmal so schnell, dass sie ihm kaum folgen konnte.
Der blaue Schatten setzte sich in Bewegung, zog sich zu einem Strich, der langsam in ihre Richtung glitt. Fina schrie auf: »Er kommt!« Ihre Schritte wurden immer schneller, sie holte Mora ein und rannte an ihm vorbei.
Kurz darauf sprangen sie in den Tunnel, kletterten hindurch und warfen das Holz in der Höhle auf den Boden. Fina keuchte erleichtert auf.
Doch Mora nahm den Wasserkessel vom Haken und zog sie zurück zur Tür. »Wir holen den Rest. Und Wasser.«
»Nein!« Fina wurde schwindelig. »Wir können auch etwas Schnee schmelzen.«
»Der Schnee ist mit Asche verschmutzt!« Mora zog sie nach draußen, führte sie an der Hand zu dem Pfad, der sich irgendwo unter der Schneedecke versteckte.
Die Schattenlinie kam unaufhaltsam heran, schlich in einem Bogen um sie herum und rückte so nah, dass sie zu einer Linie aus blaugrauen Punkten wurde.
Doch Mora setzte seinen Weg unbeirrt fort.
Plötzlich änderten die Spuren ihren Kurs, rasten direkt auf sie zu, lautlos und schnell wie ein Pfeil. Fina schrie. Sie riss an Moras Hand, wollte sich daraus winden und fliehen.
Aber Mora hielt sie so fest, dass es weh tat. »Nicht weglaufen! Das will er nur.«
Die Spuren erreichten sie, wieder schrie Fina auf, kurz bevor sie hinter ihnen vorbeirasten.
Mora ging mit schnellen Schritten weiter, hielt ihre Hand und zog sie mit sich. »Bleib ruhig.«
Sie erreichten das Quellbecken, die blauen Spuren wendeten weiter hinten und rasten wieder in ihre Richtung.
Wie paralysiert starrte Fina darauf, während Mora die Eisschicht auf dem Becken zerschlug und Wasser in den Kessel füllte. Die Spuren erreichten sie, kreuzten ein weiteres Mal ihren Weg, so dicht, dass Fina den Luftzug spüren konnte. Ihr Herzschlag stolperte. Vor ihr im Schnee leuchtete ein riesiger Fußabdruck, wie der eines Menschen, nur mit sechs Zehen!
Fina stieß einen leisen Schrei aus. Sie wollte endlich davonlaufen, wollte in die Höhle. Auch Moras Schritte wurden schneller, als sie zurückliefen, aber er hielt sie noch immer fest.
Wieder wendeten die Spuren im Schnee, rasten näher und zischten hinter ihnen vorbei. Immer dichter wurden sie von der unsichtbaren Kreatur umkreist. Sie stieß an den Wasserkessel, brachte ihn zum Scheppern und ließ das Wasser herausschwappen. Aber Mora trug ihn stoisch weiter, hielt schließlich bei dem restlichen Holz und lud es auf Finas Arme.
Die Schritte umkreisten sie, wetzten und zischten durch den Schnee, durchpflügten die dichte Decke, bis die Flocken um Finas Beine stoben und über das Holz auf ihren Armen wirbelten. Fast konnte sie die Wut des Wesens greifen, hörte sie in dem rauhen Atem, wenn es an ihr vorbeizog, in einem bösartigen
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