Der Geheime Orden
warteten. Wie zu erwarten, öffnete Hutch die Bierflaschen, während Claybrooke sich auf die Flasche Champagner stürzte. Cards und ich lehnten dankend ab, worauf Hutch uns versicherte, dass unsere Abstinenz bald ein Ende haben würde, wenn wir erst in New York wären. Während der Chauffeur uns den Storrow Drive hinunterkutschierte, schaute ich zu, wie die letzten Gebäude von Harvard hinter uns verschwanden, und ich fühlte mich schuldig, weil ich in einer Limousine saß und auf dem Weg zu einem schicken Abendessen in New York war, während meine Familie glaubte, ich säße in irgendeiner Ecke der Bibliothek und würde büffeln, bis mir die Augen tränten, damit ich es unter die Besten meines Jahrgangs schaffte. Wie sehr ich mich auch über meine erste Fahrt im Luxusauto und auf das Abendessen in der Stadt freute, die alle nur die großartigste Stadt der Welt nannten, so klangen mir doch immer noch die Diskussionen vom Sonntagabend beim BFT über die Geschichte dieser Bastionen der Exklusivität und Diskriminierung im Ohr. Es war schwierig, sich nicht in gewisser Hinsicht als Verräter an den vielen Generationen vor mir zu fühlen, an den Tausenden Namenloser, die nicht einmal davon geträumt hätten, die Schwelle eines dieser ehrwürdigen Häuser zu überschreiten, und trotzdem ihr Leben gegeben hatten, damit ich die Chance bekam zu tun, was sie nicht tun konnten.
Der Chauffeur quetschte sich in eine der Zufahrtsspuren zum Sumner-Tunnel, der einzigen Strecke, über die man den Logan Airport von Westen erreichen konnte. Trotz des dichten Verkehrs kamen wir vierzig Minuten vor der Zeit am Flughafen an. Ein uniformierter Flughafenbeamter empfing uns, als wir aus der Limousine stiegen, und begleitete uns persönlich an den anderen, wartenden Passagieren vorbei und durch die Sicherheitskontrolle. Nach wenigen Minuten saßen wir angeschnallt auf unseren behaglichen Sitzen und waren bereit für den kurzen Flug nach New York City. Vielleicht lag es an der aufgestauten Aufregung oder der Erschöpfung nach dem späten Nachtspaziergang mit Dalton, jedenfalls war das Einzige, woran ich mich von diesem Flug erinnerte, die Bitte der Stewardess vor dem Start, mich anzuschnallen.
Dann hörte ich erst wieder die kreischenden Reifen bei der Landung auf dem Flughafen La Guardia.
21
In der Sekunde, in der ich aus dem Flugzeug stieg, verliebte ich mich in New York. Ich hatte noch kein Gebäude gesehen und kein Taxi, wusste aber sofort, dass dies die Stadt war, in der ich sterben wollte. Schon am Flughafen war alles und jeder schick: Männer in Nadelstreifenanzügen und Ledermänteln, Frauen mit extravaganten Hüten und Juwelen. Die New Yorker sahen nicht nur wie ein ganz eigener Menschenschlag aus, sie bewegten sich auch anders als andere, selbstsicher und weltläufig; es waren Leute, die sich sicher waren, dass sie auch alles andere jederzeit und überall überleben konnten, wenn sie das hektische Tempo dieser Stadt bewältigten.
Sogar der Schuhputzjunge gab sich selbstbewusst, stand neben seinem Stuhl, die Daumen lässig in die Hosentaschen eingehakt, den Kopf zur Seite gelegt und mit einem Streichholz im Mundwinkel. Er musterte die Passanten, während sie vorübergingen, und suchte sich seine Ziele bewusst aus, bevor er rief: »Blitzblank hier. Kommen Sie, lassen Sie Ihre Schuhe glänzen.« Er konnte nicht älter als siebzehn sein, doch das harte Stadtleben hatte ihn abgebrühter gemacht, als es seinem Alter entsprach.
Als wir die Treppen zur Gepäckausgabe hinunterstiegen, liefen wir in einen See zumeist fremdländisch aussehender Männer hinein, die weiße Schildchen mit aufgedruckten Namen in die Höhe hielten. Es sah aus, als würden sie auf einer Auktion mit Bieterkarten wedeln.
»Warum stehen diese Männer hier so herum?«, fragte ich Hutch, der neben mir ging.
»Das sind die Fahrer der verschiedenen Leihwagenfirmen«, sagte er.
»Ich dachte, in New York würden alle Taxi fahren.«
»Viele tun es auch, aber die Geschäftsreisenden und die Leute mit Geld lassen sich gerne in privaten Limousinen abholen. Also bestellen sie einen Wagen von einer Leihwagenfirma und lassen sich nach Hause fahren. Das ist so eine typische New-York-Geschichte.«
Ein Gigant überragte all die anderen Fahrer. Er war dunkelhäutig, mit kahlem, länglichem Kopf und dermaßen breiten Schultern, dass es schien, als hätte jemand Reifen unter seine Ärmel geschoben. Auf dem Gipfel dieses Muskelberges thronte ein Schild, auf dem so sauber
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