Der Geheime Orden
»Claybrooke« geschrieben stand, dass es aussah, als hätte er eine Schablone dafür benutzt. Wir versammelten uns um ihn. Er stellte sich als Hugh Samuels vor, zöge es jedoch vor, bei seinem Spitznamen genannt zu werden: Tiny. Er bot sich an, alle unsere Taschen auf einmal zu tragen – wobei ich glaube, dass er auch noch jede andere Tasche im Flughafen hätte mitnehmen können –, doch wir lehnten sein Angebot ab und folgten ihm nach draußen. Dort angekommen zückte ich meine kleine Kamera und schoss eines meiner treffendsten Bilder von New York: das gelbe Taxi. Eine ganze Schlange dieser Fahrzeuge hatte sich vor dem Bürgersteig aufgereiht, nahmen Fahrgäste auf und brausten auf die Ausfahrt zu. Es kam mir unwirklich vor, dass ich hier stand und das klassische Wahrzeichen von New York vor mir sah, das ich bislang nur von Bildern gekannt hatte. Ich wäre am liebsten in eines hineingesprungen, hätte die Adresse durch die Klappe nach vorne gerufen, wie ich es in vielen Filmen gesehen hatte, und mich dann zurückgelehnt und mein Leben Revue passieren lassen, während der verrückte Fahrer durch die verstopften Straßen gerast wäre. Aber Träume von wilden Taxifahrten mussten noch warten, denn jetzt führte Tiny uns zu einer Limousine, die noch länger und blank polierter war als diejenige, mit der wir in Boston unterwegs gewesen waren.
Der Wagen hatte drei Fernseher, eine komplette Bar, genug Champagner, um einen Spirituosenladen aufzumachen, und eine Innenbeleuchtung, die man mit einem einzigen Druck auf den Schalter von Grün über Rot nach Weiß umschalten konnte. Nachdem wir den Flughafen verlassen hatten und auf den Zubringer gefahren waren, rollte Claybrooke die getönte Glasscheibe hoch, die uns von Tiny trennte, und bat um unsere Aufmerksamkeit.
»Willkommen im Big Apple, Männer«, sagte er mit einem schwankenden Champagnerglas in der Hand. »Ich möchte euch ein bisschen über unseren heutigen Gastgeber erzählen. Mr. Waldo Bickerstaff hat 1946 in Harvard seinen Abschluss gemacht. Er ist bereits in der dritten Generation Harvard-Absolvent und entstammt einer langen Reihe prominenter Mitglieder des Gas. Bis zum letzten Jahr war er Vorstandsvorsitzender von Merrill Lynch, einer der größten Finanzinstitutionen des Landes. Vor einigen Jahren hatte ihn das Forbes Magazine als Nummer sechs der reichsten Männer des Landes geführt. Aber noch beeindruckender ist, dass der Playboy in einem Artikel Bickerstaffs dritte Frau Dominique als seinen wertvollsten Besitz einstuft. Zu Dominique später mehr. Wie dem auch sei, Bickerstaff ist einer unserer treuesten Alumni und hat in den vergangenen zehn Jahren das Abendessen in New York geschmissen. Er ist ein prima Kerl, und sein Herz ist so groß wie seine Brieftasche. In seinen Adern fließt blaues Delphic-Blut, und für alles, was ihr auf diesem Trip erlebt, habt ihr ihm zu danken. Er hat uns Tiny für die ganze Nacht zur Verfügung gestellt und den gesamten Einfluss geltend gemacht, den er in dieser Stadt besitzt. Vergesst Harvard und eure Seminararbeiten und alles andere, was euch von den Abenteuern ablenken könnte, die uns erwarten. Heute Abend geht es darum, Beziehungen zu einem der reichsten Männer des Landes zu knüpfen und das Allerbeste aus New York herauszuholen. Doch eine Sache behaltet stets im Kopf, ihr edlen Knaben: Was in New York passiert, das bleibt in New York. Erhebt also eure Gläser und trinkt auf Bickers, den Big Apple, die üppige Dominique und auf dass das Gas ewig leben möge.«
Unser Gebrüll drohte das Verdeck von der Limousine zu pusten. Dann kippten wir alle unsere Gläser mit Blubberwasser, und die Flasche drehte noch eine Runde.
»Was hat es mit dieser Dominique auf sich?«, fragte Buzz Brandon Pollack, das Mitglied, das zwischen uns Platz genommen hatte. Pollack war der Sohn eines berühmten Filmregisseurs, der auch schon in Harvard studiert hatte, allerdings Mitglied des Fly Clubs gewesen war. Pollack hatte ein paar großartige Geschichten auf Lager: Er hatte im Garten ihres Hauses in Beverly Hills mit Sylvester Stallone Basketball gespielt, hatte vom Fenster im ersten Stock Sharon Stone oben ohne am Pool liegen sehen, hatte an seinem sechzehnten Geburtstag mit Frank Sinatra Piano gespielt. Es gab nicht viel, was Brandon Pollack nicht gehört oder gesehen hatte, und jeder Harvardstudent, der auch nur eine Spur Testosteron im Blut hatte, hätte alles dafür gegeben, einen Tag lang Pollack sein zu dürfen.
»Wenn Sex ein
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