Der Geheime Orden
Buch der Nachfolge gefunden hatte und das zu entschlüsseln wir in den vergangenen Wochen vergeblich versucht hatten. Ich hörte aufmerksam zu, falls Jacobs seine Bedeutung erläutern würde; stattdessen hörte ich nur: »Ein Prosit auf unser neuestes Mitglied.« Es war die leicht zu erkennende Stimme von Charles Thorpe, die sich über die klingenden Gläser erhob. Der Raum war voller Bewegung, als die Männer den jüngsten Ritter beglückwünschten.
Ich versuchte, den Gesprächen zu folgen, doch zu viele Leute redeten gleichzeitig, und immer wieder übertönte ein Lachen die Worte. Nach einigen Minuten fröhlichen Durcheinanders verebbte der Lärm plötzlich. Ich behielt mein Ohr am Luftschacht, aber da war nur noch Stille. Was taten sie wohl gerade? Ich konnte nicht einmal ihre Schritte auf dem Holzparkett hören. Eine halbe Stunde lang sperrte ich das Ohr auf, doch die Männer waren anscheinend ganz plötzlich verschwunden.
Leise stand ich auf und schlich auf Zehenspitzen zur Bibliothek. Ich kniete mich vor die geschlossene Tür und spähte durchs Schlüsselloch. Nichts. Das Licht war immer noch ausgeschaltet, die Kerzen waren gelöscht, und der Raum war vollständig verlassen. Wo waren sie?
Ich kehrte in den Fernsehraum zurück und nahm wieder meine Position am Luftschacht ein. In der Stille der Dunkelheit wartete ich auf das leiseste Geräusch aus dem anderen Raum. Doch für weitere drei Stunden vernahm ich nichts anderes als das hohle Säuseln der Luft, die durch das Lüftungsgitter strömte. Dann hörte ich etwas. Zuerst waren die Stimmen leise, ein sanftes Plaudern, untermalt von dem einen oder anderen gedämpften Lachen. Dann füllte der Raum sich mit demselben Lied, das wir während der Initiation gesungen hatten. Hutch hatte es die Pokalhymne genannt. Nachdem das Lied beendet war, hörte ich, wie die Tür geöffnet wurde. Ich zog mich in die Dunkelheit zurück und schlüpfte in eine Garderobe, wo ich mich zwischen einen Stapel Bücher und ein paar Mäntel quetschte. Ich betete, dass sie mich nicht finden würden. Ich musste an Erasmus Abbott denken. Sie schreckten vor Mord nicht zurück, besonders wenn es darum ging, ihre Geheimnisse zu bewahren. Vielleicht war es nur eine Falle. Hatten sie mich nur in den Club gelockt, um einen weiteren, allzu neugierigen Zeitgenossen auszuschalten?
Nachdem ich eine Stunde lang mein Hemd nassgeschwitzt hatte, öffnete ich vorsichtig die Garderobentür und starrte in die Dunkelheit hinaus. Für die nächsten fünfzehn Minuten blieb ich in dieser Position und lauschte, ob sich irgendwo etwas rührte. Nichts. Dann ging ich über den Flur zur Bibliothek hinüber. Die Kerzen waren verschwunden, der Rauch hatte sich verzogen, und die Stühle standen an ihren ursprünglichen Plätzen. Es schien, als wäre nie jemand hier gewesen. Ich saß noch eine halbe Stunde in der lautlosen Dunkelheit; als ich mich sicher fühlte, dass der Club verlassen war, schlich ich nach unten und durch die Hintertür hinaus.
»Hallo.«
»Dalton, wach auf!«
»Spencer?«
»Ich komme gerade vom Club zurück.«
»Verdammt, Spencer, es ist fast vier Uhr morgens. Was hast du dort so spät noch verloren?«
»Du glaubst nicht, was sich heute Nacht dort abgespielt hat«, sagte ich. »Ich war auf dem Weg nach Hause von der Lamont-Bibliothek, wo ich für meine Genetikklausur gelernt hatte. Ich beschloss, noch mal im Club vorbeizuschauen, um einen Happen zu essen. Außerdem wollte ich mir noch das letzte Viertel der Begegnung zwischen Las Vegas und Georgetown anschauen. Ich ging in die Küche, schnappte mir eines von Janices Sandwiches und ging nach oben. Nachdem ich ein paar Stufen genommen hatte, bemerkte ich, dass in der Bibliothek noch Licht brannte. Zuerst dachte ich, dass jemand vergessen hatte, es auszumachen, doch als ich den zweiten Stock erreichte, sah ich, dass die Tür zur Bibliothek geschlossen war. Ich wollte schon zur Türklinke greifen, als ich Stimmen hinter der Tür hörte.«
»Es war noch einer in der Bibliothek?«
»Nicht nur einer, sondern mehrere. Ich kniete mich hin, spähte durchs Schlüsselloch und zählte mindestens fünf Männer in schwarzen Umhängen und mit weißen Handschuhen, die sich wie auf dem Foto an den Händen hielten. Ich bin sicher, dass es noch mehr waren, aber ich konnte nicht alle sehen. Jacobs stand auf einem Stuhl in der Mitte des Kreises und hielt eine Fackel in die Höhe.«
»Hast du noch jemanden erkannt?«
»Charles Thorpe. Ich habe ihn auf der
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