Der Geheime Orden
Leben, dass jemand, der nicht zu meiner Familie gehörte, etwas für mich getan hatte, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Und ich war immer noch verwirrt, warum er gerade mich aus der Gruppe herausgepickt hatte und so viel über mein Privatleben wusste. Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass er auf der Suche nach etwas Bestimmtem war.
»Ich denke, wir sollten uns wieder der Party anschließen«, sagte er, »bevor sie einen Suchtrupp losschicken.«
Wir stiegen eine Wendeltreppe hinunter, die sich um einen langen, zylinderförmigen Kronleuchter wand. Ich folgte ihm zurück durch ein Labyrinth dunkler Korridore und schummrig erleuchteter Zimmer, bis wir wieder zu den Partygästen stießen. Die Jazzband war zum Leben erwacht, und der Saal war mittlerweile von eifrigem Geplauder und stürmischem Gelächter erfüllt. Der nie versiegende Strom von Alkohol hatte auch die letzten Spannungen beseitigt, die es möglicherweise noch gegeben haben mochte. Die Jacketts vieler kleideten nunmehr die Rücken der Stühle, und die gestärkten Hemden waren zerknittert und bis zum zweiten Knopf geöffnet. Dicker Zigarrenqualm kreiste schwer in der Luft.
Ich ging durch den Raum und beobachtete und lauschte mehr, als ich selbst sprach. Meine Rolex-Zählung lag mittlerweile bei ungefähr fünfunddreißig. Ich kam an einer Gruppe am Billardtisch vorbei, die sich über einen Wochenendausflug auf die Bahamas unterhielten.
»Komm schon, Bernie, es ist doch nur ein Wochenendtrip«, sagte der Längste der drei.
»Ich weiß, Parker, aber wir sind letzten Monat nach Paris geflogen, und mein Vater hat einen verdammten Anfall gekriegt«, antwortete Bernie. »Er sagte, er dreht mir vorerst den Hahn zu.«
»Aber der Trip wird uns nichts kosten«, beharrte Parker. »Mein Vater sagt, dass er den Jet nicht braucht, also können wir ihn haben. Und das Personal hat unseren Wintersitz letzte Woche geöffnet – es ist alles bereit.«
»Wie kannst du bloß Nein sagen, Bernie?«, meldete der dritte Typ sich zu Wort. »Drei Tage in der Sonne und eingeborene Schönheiten, die den Strand entlanglaufen. Verdammt, wir werden achtundvierzig Stunden lang Sex haben.«
Bernie rieb sich nachdenklich die Schläfen. Man konnte ihm ansehen, dass er mit Visionen von fast nackten Insulanerinnen und eiskalten Pina Colada rang. »Zum Teufel auch!« Bernie klatschte seine Kumpels ab. »Man lebt nur einmal.«
»Das ist wieder unser alter Bernie«, johlte Parker. »Wir fliegen am Donnerstagabend um neun ab Logan. Vergesst die Badehosen und das Sonnenöl nicht. Macht euch keine Kopfschmerzen wegen Golf- und Tennisschlägern, im Club gibt’s alles, was wir brauchen.«
»Und vergesst nicht die Familienpackung mit Kondomen«, sagte der dritte Typ und bekam einen Lachanfall.
Triumphierend erhoben sie ihre Gläser mit Dom Perignon und stießen an.
Ich bewegte mich weiter zu einer anderen Gruppe und bekam mit, wie sie ihre Urlaubspläne diskutierten.
»Wo verbringt ihr so den Sommer?«, fragte ein Kandidat den anderen.
»In unserer Villa in Italien«, antwortete der Gefragte. »Und das Beste ist, dass meine Eltern zwei Monate mit ihren Freunden an der Riviera verbringen wollen.«
»Du hast die ganze Villa für dich allein?«
»Abgesehen von den drei Dienstboten. Und was noch besser ist: Mein Vater hat da drüben gerade einen Ferrari gekauft. Ihr solltet alle mal für ein paar Wochen rüberkommen.«
So oder ähnlich klangen die Gespräche. Wochenendausflüge auf Privatinseln und Sommerurlaube in fernen Kontinenten. Das Prahlen mit erfolgreichen Verwandten und Markenvergleiche von exklusiven Sportwagen und Skiausrüstern. Es war schwer zu beurteilen, was davon echt war und was allein deswegen gesagt wurde, um die anderen zu beeindrucken.
Ich stieß auf den ersten Gefallenen des Abends, einen halb bewusstlosen Kandidaten, der mit dem Gesicht nach unten auf dem Fußboden lag. Sein Jackett war nur noch halb angezogen, und mit dem freien Arm zerrte er aussichtslos an seinem Schlipsknoten. Ein paar Mitglieder kamen zu seiner Rettung, und er starrte mit kläglicher Miene in ihre Gesichter hinauf. »Ich … komme rein, ja?«, stammelte er. »Ihr … macht mich zu einem Mitglied des Delphic?« Die restlichen Feiernden nahmen kaum Notiz von der sabbernden Schnapsleiche. Wenn sie über ihn hinwegstiegen, sorgten sie sich mehr um den Inhalt ihrer Gläser als um den Zustand ihres gefallenen Kameraden. Das Lachen und Prahlen ging weiter, und die Band spielte
Weitere Kostenlose Bücher