Der Geheime Orden
verpassen.
»Lassen Sie uns dieses Zimmer ansehen«, schlug er vor, als wir einen weiteren großzügigen Raum mit Deckengewölbe betraten. »Ich werde nie den Tag vergessen, an dem ich meine erste Einladung vom Delphic erhielt«, sagte er. »Ich war so aufgeregt, dass ich Kopien anfertigte und all meinen Verwandten schickte.«
Einen Augenblick lang standen wir im Dunkeln. Seine Stimme hallte noch irgendwo von der hohen Marmordecke wider.
»Warum haben Sie sich für den Delphic entschieden und nicht für den Porcellian oder den Spee?«, fragte ich.
»Bereits zwei Generationen von Jacobs hatten die Fackeln des Gas getragen, mein Vater und sein Großvater. Andere Jacobs-Männer waren stolze Mitglieder des Spee. Aber das Gas hat dieses gewisse Etwas, das ich bei den anderen nicht spürte. Außerdem war es zu jener Zeit fast unmöglich hineinzukommen. Aus vielen graduierten Mitgliedern waren internationale Führungspersönlichkeiten geworden, und die Gerüchteküche um den Club brodelte. Jeder wollte in Morgans Haus hineinkommen.«
Jacobs betätigte einen Schalter an der Wand. Wir standen unter einem großen, verzierten italienischen Kronleuchter, der sein Licht über den ganz mit Mahagoni ausgekleideten Raum verstreute. Drei der vier Wände waren vom Boden bis unter die Decke mit Büchern bedeckt. Eine Schiebeleiter lehnte an den höheren Regalböden.
»Die älteste der drei Bibliotheken«, sagte er. »Meine Brüder und ich haben hier jeden Abend über unseren Latein- und Französischlektionen gesessen. Mutter war entschlossen, dass ihre Söhne nicht provinziell erzogen wurden. Sie hatte Pläne für uns. Wir sollten – mit ihren Worten – ›moderne Weltbürger werden. Latein sollte unseren Wortschatz vergrößern und uns solide Grundkenntnisse in dieser Sprache verschaffen. Französisch, weil wir unsere Sommer immer an der Riviera verbrachten. Wie auch immer, ich habe Sie hierher geführt, um Ihnen etwas zu zeigen.«
Er durchquerte das Zimmer, blieb vor einer breiten Vitrine stehen und betätigte einen Schalter, der mehrere Lampenreihen hinter der Verglasung aufflackern ließ.
»Das gesamte obere Regal ist der Qin-Dynastie gewidmet, zwischen 720 und 480 vor Christi Geburt«, sagte er. »Die meisten dieser Stücke habe ich von einem Museum im Kreis Baoji in der Provinz Shaanxi erworben.«
Das erste Stück war ein goldener kauernder Tiger mit aufgerissenem Maul und seltsamen Ohren. Er war nur ein paar Zentimeter groß und sah, ehrlich gesagt, nicht besonders beeindruckend aus. Natürlich sagte ich das nicht, sondern nickte gedankenschwer mit dem Kopf, als wäre ich vollkommen überwältigt von seiner historischen Bedeutung.
»Ein wichtiges Stück«, sagte Jacobs. »Wurde einst als Harnischschmuck für Pferdekampfwagen verwendet. An der Rückseite befindet sich eine Öse, wo der Lederriemen befestigt werden konnte. Ist ungefähr so alt wie das Trinkgefäß daneben und eins der ältesten chinesischen Artefakte, die ich besitze.«
»War es schwer, an die Stücke heranzukommen?«
»Sehr viel lief unter der Hand und inoffiziell«, sagte er mit einem Lächeln, als enthüllte er mir gerade ein großes Geheimnis.
»Sie haben selbst verhandelt?«
»Nie«, sagte er und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Einer meiner Händler hat sich um die Drecksarbeit gekümmert. Diese Geschäfte können manchmal ziemlich heikel werden. Eine Menge Fälschungen im Umlauf. Vorsicht geboten. Ich habe noch etwas, das Ihnen gefallen wird«, sagte er, schaltete das Licht aus und ging zur Tür hinaus. Ich folgte ihm weiter den Korridor hinunter in einen anderen Raum, der groß genug war, um eine fünfköpfige Familie zu beherbergen. »Mutters Wohnzimmer. Sie liebte es, ihre Gäste hier zu empfangen.«
Wir betraten das luftige Zimmer, das mit barocken Möbeln und hellen Aquarellen eingerichtet war. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich pfirsichfarben gestrichene Wände sah. Zu meiner Überraschung erkannte ich einige der Gemälde wieder. Meine ganze Kunstgeschichtsvorlesung hätte in diesem Raum gehalten werden können.
»Die Gemälde sind wirklich beeindruckend«, sagte ich. »Ein paar von ihnen erkenne ich wieder.«
»Alte Meister«, sagte Jacobs. »Mutter hatte ihre wichtigsten Werke am liebsten hier hängen, obwohl sich ihre Innenarchitektin, die dieses Zimmer abgrundtief hasste, vehement dagegen gestemmt hatte. Sie versuchte Mutter zu überzeugen, dass nicht alle diese Werke in einem Raum hängen sollten, sondern
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