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Der Geheime Orden

Der Geheime Orden

Titel: Der Geheime Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Smith
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hältst du von Dunhill?«, fragte ich.
    »Ich glaube, er ist einsam.«
    »Glaubst du, er wird uns die Geschichte jener Nacht zu Ende erzählen?«
    »Davon bin ich überzeugt«, sagte Dalton.
    »Warum so sicher?«
    »Weil er uns mag, und wahrscheinlich war es das erste Mal seit Jahren, dass er mit zwei Jungs in unserem Alter gesprochen hat. Er kommt zwar ziemlich griesgrämig daher, aber er findet es spannend, dass wir da sind. Alte Männer lieben es, an ihre glorreichen Zeiten erinnert zu werden. Sie fühlen sich wieder lebendig. Er platzt fast, so gerne würde er uns alles erzählen. Ich höre es in seiner Stimme.«
    »Es muss ziemlich traurig sein, so alleine hier unten zu sitzen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Er ist alt. Seine Frau ist gestorben. Er scheint nicht viel Familie zu haben. Und die meisten seiner Freunde sind wahrscheinlich tot.«
    »Wenn wir lange genug leben, wird es uns genauso ergehen«, sagte Dalton. »Darum müssen wir unsere Jugend genießen. Damit wir zumindest noch unsere Erinnerungen haben, wenn wir so alt und allein sind wie er.«
    »Was glaubst du, warum er nur seiner Frau erzählt hat, was in jener Nacht wirklich passiert ist?«, fragte ich. »Man sollte doch meinen, er hätte sich wenigstens den anderen Jungs anvertraut, die am Abendessen teilgenommen hatten.«
    Dalton zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat er sogar beobachtet, wie Abbott ermordet wurde, und die ganze Zeit darüber geschwiegen.«
    »Aber warum sollte er es dann nach so vielen Jahren ein paar Fremden erzählen?«
    »Es ist eine schwere Arbeit, bestimmte Geheimnisse zu bewahren«, sagte Dalton. »Darum legen die meisten Mörder früher oder später ein Geständnis ab. Die Last der Schuld macht sie nach und nach fertig. Vielleicht ist Dunhill einfach zu müde, um sie noch länger allein zu tragen.«
    »Hast du gesehen, wie er aufs Meer geschaut hat?«, sagte ich. »Er war so geistesabwesend, als würde er die Nacht von damals noch einmal erleben.«
    »Ich schätze, dass er diese Nacht schon eine Million Mal durchlebt hat«, sagte Dalton. »Und dass er erleichtert ist, endlich jemanden zu haben, der ihm zuhört, ohne ihn zu verurteilen. Kelton Dunhill hat Schuldgefühle. Glaub mir, morgen früh wird er seine Seele von Erasmus Abbotts Dämonen reinigen.«
     
    Um Punkt neun fuhren wir durch das Tor der Seniorenresidenz Thompson. Seit gestern hatte sich wenig verändert: Majestätische Wasserfontänen schossen in den Himmel, kleine Mexikaner in hellblauen Overalls hielten das Grundstück in Schuss, und dieselben alten Leute saßen auf der vorderen Veranda und dösten zum Klang der Windorgeln, die sanft von der Brise angestoßen wurden. Die Sonne war gerade erst aufgegangen, doch schon lag die Temperatur um die fünfunddreißig Grad. Die Hitze war nicht gerade förderlich für meinen Brummschädel, den die wüste Party mit Esperanza und Maria am Abend zuvor hinterlassen hatte.
    Wir betraten die Lobby und gingen zum Empfangsschalter, doch diesmal war die Rezeptionistin auf unsere Ankunft vorbereitet und begleitete uns bis zum anderen Ende der Anlage, wo wir über eine Wendeltreppe einen kleinen, schmuckvollen Speisesaal erreichten, der an allen Seiten hohe Fenster besaß, durch die man die Aussicht auf die Bucht genießen konnte. An einigen Tischen saßen Bewohner, die tief über ihren Tellern hingen und von Betreuern gefüttert wurden, die ihnen die Getränke an den Mund hielten und ihnen die Gesichter abwischten, wenn sie aus den Mundwinkeln zu sabbern begannen. Der Anblick war zutiefst deprimierend.
    Dunhill allerdings war eine andere Geschichte. Immer noch ein Bild von einem Mann, hatte er sich an einen Tisch auf einer kleinen Terrasse niedergelassen, die einen weiten Blick über das Wasser und die gezackte Skyline hinter dem Strand bot. Er trug ein gelbes Polohemd und weiße Leinenhosen. Das kräftige weiße Haar war nass, und er hatte es zurückgekämmt. Die Sonne ließ seine blauen Augen fast durchsichtig erscheinen. Er musste Anfang neunzig sein, sah aber locker ein paar Jahrzehnte jünger aus. Er nippte an einem Glas Orangensaft, als wir uns zu ihm setzten.
    »Haben Sie heute Nacht gut geschlafen?«, fragte er uns mit einem Augenzwinkern.
    »Die Wellen lullen einen in den Schlaf«, sagte Dalton.
    »Und es ist noch viel netter, wenn neben einem jemand dabei zuhört«, sagte Dunhill.
    »Es kann jedenfalls nichts schaden.«
    »South Beach hat für junge Männer wie euch viel zu bieten«, sagte Dunhill. »Ich wünschte,

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