Der Geheime Orden
den anderen Jungs, die mit Ihnen zu Abend gegessen hatten, erzählt, was passiert war?«, fragte Dalton.
Dunhills Augen bekamen wieder diesen fernen Blick. »Kein einziges Wort.«
»Sie sind mit Abbott in Choate gewesen«, sagte Dalton.
»Das stimmt«, sagte Dunhill. »Wir haben uns schon lange gekannt. Aber unsere Herkunft war ganz unterschiedlich. Die Abbotts waren außerordentlich vermögend und lebten wie Einsiedler unten in Newport. Ras und ich wurden eigentlich erst in Harvard richtige Freunde. Es war nicht leicht, mit ihm zurechtzukommen. Er betrieb keinen Sport, wie wir anderen, verbrachte die meiste Zeit zurückgezogen, las Bücher und fuhr am Wochenende oft nach Hause, um seine Familie zu besuchen. Er war ein Einzelkind, und sie waren dauernd wegen irgendwas mit ihm zugange.«
»Warum hat kaum jemand sich für die Sache interessiert?«, fragte ich. »Der Crimson brachte über den ganzen Zeitraum ganze drei Artikel. Man sollte doch denken, dass das plötzliche Verschwinden eines Studenten, noch dazu eines so reichen Erben wie Abbott, für mehr Wirbel sorgte, als man den Berichten entnehmen kann.«
»Es hat tatsächlich für einigen Wirbel gesorgt«, sagte Dunhill. »Die Studenten waren wie versteinert. Alle möglichen Gerüchte schwirrten herum. Einige behaupteten, man hätte seinen Körper im Charles gefunden, wie schon den des Iren. Andere sagten, dass er auf dem Heimweg entführt und schließlich geköpft wurde, als seine Familie das Lösegeld nicht bezahlen wollte. Es waren hektische Tage. Wir hofften die ganze Zeit, dass er doch wieder auftauchen würde, aber das geschah nicht.«
»Aber selbst wenn Sie nicht bereit waren zu reden, warum haben die Zeitungen nicht mehr Druck gemacht?«, fragte ich. »Sie haben die Story einfach sterben lassen.«
»Weil kein Offizieller der Universität wirklich darüber reden wollte. Die Universitätsverwaltung und die Familie übten Druck auf die Zeitungen aus, damit sie die Berichterstattung einstellten. Ein Junge, der auf demselben Flur wohnte wie ich, war einer der Redakteure. Er hat mir erzählt, dass die Abbotts und Uni-Präsident Lowell es so still wie möglich abwickeln wollten. Die Zeitung weigerte sich, klein beizugeben, bis Lowell alle Redakteure zu einer Besprechung in sein Dienstzimmer rufen ließ. Wundersamerweise änderten die Redakteure ihre Ansicht. Das war der eigentliche Grund dafür, dass ich mit Fleming sprach. Ich kannte sonst niemanden, der die Story noch anfassen würde. Ich hatte gehört, dass es da so einen Reporter gab, der auf dem Campus herumschnüffelte und helfen wollte, Ras zu finden. Er hatte Studenten danach gefragt, was sie über jene Nacht zu erzählen wussten, und seine Nummer an alle Leute verteilt, damit sie ihn anriefen, wenn sie etwas zu sagen hatten. Ich besorgte mir die Nummer und rief an.«
»Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Abbott noch lebt?«, fragte Dalton.
»Verschwindend gering«, sagte Dunhill. »So wie ich Ras kenne, hätte er im Laufe der Jahre versucht, Kontakt zu einem von uns aufzunehmen, da bin ich mir sicher. Die ganze verdammte Zeit verging, aber wir haben nie wieder etwas von ihm gehört.«
»Was können Sie uns über die Altehrwürdigen Neun erzählen?«, fragte Dalton.
Die Kellner erschienen mit einem Frühstücksbüfett, das groß genug war, um eine ganze Armee zu ernähren, stellten es vor uns ab und verschwanden lautlos. Dunhill schüttete jedes Gewürz, das sich in seiner Reichweite befand, auf sein Omelett und langte dann zu, als hätte er ein Jahr nicht mehr gegessen. Er spülte mit einem Glas Orangensaft nach und räusperte sich.
»Ich sehe, Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht«, sagte Dunhill. »Die alten Hasen glaubten, dass Morgan die Altehrwürdigen Neun ins Leben gerufen hatte, um dem Club eine geheimnisvolle Aura zu verleihen. Denken Sie daran, er war von zwei anderen Clubs zurückgewiesen worden, also wollte er etwas tun, was den Delphic von den anderen unterschied. Einige seiner Pokerfreunde saßen eines Tages nach dem Abendessen im Club, als jemand mit der Idee kam, eine Bruderschaft innerhalb des Clubs zu gründen. Als das in die Tat umgesetzt wurde, begann die Gerüchteküche zu brodeln. Die Leute dachten, es gebe ein Geheimnis, das sie beschützen müssten, aber niemand wusste, was es sein könnte. Irgendjemand sagte, dass sie etwas Wertvolles in ihrem Haus versteckt hätten. Sie nannten es Harvards Heiligen Gral. Je weniger die Leute davon wussten, desto wilder schossen
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