Der Geheime Orden
und sah Mrs. Winthrop im Schatten des mächtigen Herrenhauses stehen. Sie winkte uns mit der rechten Hand nach, während sie sich mit der linken die Augen abtupfte. Ich wusste, dass sie weinte, aber ich sagte es Dalton nie.
13
Der dritte Umschlag lag direkt hinter der Tür, wie schon die beiden zuvor. Ich wusste, dass es noch ein weiter Weg bis in die letzte Runde war, aber zum ersten Mal erlaubte ich mir, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass ich tatsächlich in den Delphic aufgenommen werden könnte.
Präsident und Mitglieder des Delphic Club laden
Sie herzlich zum Lunch am Dienstag, den 15. November i m Clubhaus in der Linden Street Nr. 9 ein.
Der erste Gang wird um Punkt 12 Uhr aufgetragen.
Jackett und Krawatte erforderlich.
Tel. 876-0400 bitte nur bei Verhinderung.
»Was ist das?«, hörte ich jemanden sagen. Percy war gerade in Slippers und seinem Morgenmantel mit Monogramm aus dem Badezimmer getreten. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass er wach war. Sein Haar sträubte sich wild in alle Richtungen, und natürlich trug er seinen verdammten Ring am kleinen Finger.
»Nichts Besonderes«, sagte ich, unsicher, ob ich mit Percy um acht Uhr morgens eine langatmige Diskussion über den Delphic Club führen wollte.
»Irgendetwas muss es doch sein«, sagte er. »Ich habe es auf dem Fußboden gesehen, als ich ins Badezimmer ging. Und jemand muss es für wichtig genug gehalten haben, dass er es mitten in der Nacht unter der Tür hindurchgeschoben hat, denn als ich von der Chorprobe kam, lag es noch nicht da.«
»Es ist eine Einladung zum Lunch im Delphic«, sagte ich.
»Delphic wie Delphic Club?«
»Genau.«
»Na toll. Mein Mitbewohner wird vom Delphic als Kandidatin Betracht gezogen und erzählte es mir nicht mal.« Percy seufzte.
»Mach jetzt bloß nicht auf sentimental«, sagte ich. »Es ist ja keine große Sache, und irgendwann hätte ich dir sowieso davon erzählt.«
»Keine große Sache?«, sagte er. »Blödsinn! Es ist der Top-Club auf dem Campus. Und es läuft schon die dritte Runde. Wie lange hättest du es mir noch verschwiegen?«
»Woher weißt du, dass es die dritte Runde ist?«, fragte ich.
»Weil ich Kandidat für den Spee bin.«
»Na so was. Davon habe ich ja noch gar nichts gehört«, sagte ich. »Warum spielst du die beleidigte Leberwurst, wenn du mir selbst kein Wort erzählt hast?«
»Ich habe nichts gesagt, weil ich nicht wollte, dass du dich wie ein Außenseiter fühlst«, sagte Percy. »Und was ist deine Entschuldigung?«
Ich konnte es nicht fassen. Es war acht Uhr morgens, und Percy stellte mich wegen des Delphic zur Rede. Um ehrlich zu sein, wäre es mir nie in den Sinn gekommen, dass es für ihn irgendwie von Belang sein könnte, ob ein Club sich für mich interessiert oder nicht. Wir setzten uns ja nicht zusammen und führten Gespräche über solch persönliche Dinge. Ich hatte unsere Beziehung als nüchtern eingeschätzt, dass jeder sich weitgehend aus dem Privatleben des anderen heraushielt. Ich wollte nichts von seinen Chorproben oder Gesellschaftstänzen hören, und ich war mir sicher, dass er nichts von Basketball oder dem neuesten Rapsong wissen wollte, zu dem wir im dunklen, verschwitzten Keller des Adams House abtanzten.
»Ich habe keine Entschuldigung«, sagte ich. »Aber wenn es dir stinkt, dass ich dir nicht früher davon erzählt habe, dann tut es mir Leid.«
Ich dachte, damit wäre es getan; stattdessen warf er sich in die Couch, legte die Füße auf den Beistelltisch und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Und wie läuft es so?«
»Okay«, sagte ich und setzte mich auf die andere Couch. »Ich hab’s gerade in die dritte Runde geschafft. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen.«
»Du weißt, dass die Auswahl für den Delphic die härteste von allen ist«, sagte er. »Früher war es immer der Pork, aber seitdem alle Welt von diesem geheimen Raum spricht, ist der Delphic zum angesagtesten Club geworden.«
»Wie hast du von diesem Raum gehört?«
»Eine Exfreundin von mir. Sie lebte in unserem Nachbarhaus auf Nantucket. Ihr Vater war Mitglied im Gas.«
Jetzt hatte Percy meine volle Aufmerksamkeit. »Was hat sie über den Raum gesagt?«
»Dass alles wahr ist.«
»Was soll das heißen, alles ist wahr?«
Percy warf seine mageren, blassen Beine hoch und legte sie auf dem Beistelltisch über Kreuz. »Morgan hat in einem der Stockwerke einen speziellen Raum einbauen lassen, zu dem nur Mitglieder seines inneren Zirkels Zutritt
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