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Der Geheime Orden

Der Geheime Orden

Titel: Der Geheime Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Smith
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ein totaler Krieg sein würde. Wir waren alle schon erschöpft, und die Trainer wollten Blut sehen. Drei Jungs hatten es bereits geschafft, und der Trainer warnte uns, es den Verteidigern absichtlich leicht zu machen; dann nämlich würde er uns nach dem Training scheuchen, bis uns die Lungen aus dem Hals hingen. Mehr brauchte es nicht, um uns augenblicklich zu Todfeinden werden zu lassen.
    Ron Mitchell, unser neuer Zweimetermann aus Long Island, New York, war als Nächster dran. Mitch kam als erstklassiger Angreifer von der Sidwell Friends High School in New York und war einer unserer hoffnungsvollsten Neuzugänge seit vielen Jahren. Gleichzeitig war er der Sohn von Bert Mitchell, einem der erfolgreichsten schwarzen Wirtschaftsprüfer des Landes, ein Millionär, der mit Senatoren Golf spielte und Poker mit Topmanagern. Bert Mitchell war als armer Junge in Jamaika aufgewachsen, und nachdem er mit seinen sieben Geschwistern in die Vereinigten Staaten ausgewandert war, arbeitete er sich bis an die Spitze des Wirtschaftslebens hoch. Obwohl die Mitchells in Luxus lebten wie keine andere schwarze Familie, die ich jemals getroffen hatte, hatte Ron die Durchsetzungskraft seines Vaters geerbt. Er war ein harter Konkurrent und ein furchtloser Verteidiger seiner Ehre.
    Mitch fertigte die ersten beiden Angreifer schnell ab und schnappte sich ohne Mühe die Rebounds, bevor er sich auf den dritten vorbereitete. Doch der Ball sprang unglücklich ab, und Mitch musste den Rebound abgeben, den er gebraucht hätte, um sich aus seiner Lage zu befreien. So ging es die nächsten fünfzehn Minuten weiter, bis er irgendwann kaum noch die Beine bewegen konnte. Die Mädchen standen mittlerweile an der Seite und schauten zu, bereit, jederzeit das Spielfeld zu übernehmen, und der Trainer warf immer noch den Ball, brüllte Mitch an, dass er wie ein Mann kämpfen und den verdammten Rebound holen solle. Erstaunlicherweise konnte Mitch sich noch einmal aufraffen, und nach einer Reihe glücklicher Abpraller hatte er seinen zweiten Rebound hintereinander geholt. Ich war als Nächster dran. Ich mochte Mitch sehr gern, und er war mein bester Freund in der Mannschaft, aber ich wusste, wenn er mir diesen dritten Rebound abnahm, hätte der Trainer meinen Kopf in der Schlinge. Ich schaute Mitch in die Augen. Er trug eine Schwimmbrille nach dem Vorbild von Kareem Abdul Jabaar, die jedes Mal beschlug und verrutschte, wenn er verschwitzt und erschöpft war. Ich schaute ihm also in die Augen und sah, wie sie mich anflehten, ihm diesen dritten Rebound zu schenken. Ich beschloss, ihm den Gefallen zu tun und ein Donnerwetter des Trainers zu riskieren. Der Trainer warf den Ball, der gegen die Verbindung von Korb und Brett prallte und nach rechts wegsprang. Ich gab Mitch einen ordentlichen Vorsprung, doch als er den Ball schon fast in den Händen hatte, rutschte er auf einer nassen Stelle am Hallenboden aus. Seine Beine gaben nach, und er hatte keine Möglichkeit, seinen erschöpften Körper vor dem Sturz zu bewahren. Ich hatte keine andere Wahl, als den Ball aufzunehmen, was bedeutete, dass seine Tortur von vorne begann.
    Mitch blieb auf dem Rücken liegen, streckte alle Viere von sich und japste nach Luft. Alle anderen, einschließlich der Mädchen, feuerten ihn an, da sie wussten, dass der Trainer ihn bis zum bitteren Ende weitermachen ließ. Er blies in die Pfeife, damit Mitch sich wieder aufstellte, und rief so laut er konnte: »Steh auf und sei ein Mann, du verdammte Memme!«
    Wir anderen erstarrten zu Eis, als wir seine Worte hörten. Mitch war ein Typ, der einiges mitmachte und mit dem man sich ab und zu einen Spaß erlauben konnte. Wie so oft bei großen Jungs, nahm er die meisten Dinge ziemlich sportlich. Aber es gab eine Sache, die er sich von niemandem gefallen ließ: eine Memme genannt zu werden. Der Trainer hatte es nicht nur gesagt, sondern er hatte es vor den Augen aller gesagt, einschließlich der Frauenmannschaft. Ich betete verzweifelt, dass Mitch nur dieses eine Mal seinen Stolz überwinden würde. Doch nachdem er auf die Beine gekommen war, das Hemd halb zerrissen, seine Schwimmbrille am Hals baumelnd, ging er zum Trainer hinüber und sagte: »Wie hast du mich gerade genannt?«
    »Ich habe dich eine verdammte Memme genannt«, sagte der Trainer. Und dann tat er etwas, das ich ihn noch nicht einmal in seinem wüstesten cholerischen Anfall hatte tun sehen. Er sah auf und stieß Mitch gegen die Brust, sodass er ein paar Schritte zurückstolperte.

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