Der Geheime Orden
müssen, warum einigen wir uns nicht darauf, uns bei Tommy’s zu treffen, uns nebeneinander zu setzen und eine kleine Unterhaltung zu führen, wenn uns der Sinn danach steht? Es ist keine Verabredung, bloß ein Treffen.«
Sie dachte ein paar Sekunden darüber nach und sagte dann: »Damit könnte ich leben. Aber ich kann hier erst weg, wenn wir alles aufgeräumt haben.«
»Wir treffen uns in dreißig Minuten vor dem Portal«, sagte ich.
»Und du darfst mich nicht zu lange in Beschlag nehmen. Ich habe noch eine Menge zu lesen und muss bis morgen noch eine Seminararbeit schreiben.«
»Versprochen«, sagte ich. »Ich werde nicht mal versuchen, dich auszunutzen.«
»Das ist auch gut so«, sagte sie mit einem Lächeln. »Mein Bruder hat immer noch Freunde, die in der Gegend leben. Und sie hassen eingebildete Harvard-Leute.«
Ich rannte in mein Zimmer zurück und sprang unter die Dusche. Es war schwierig, sich nicht wie der glücklichste Mensch der Welt zu fühlen.
»Also, warum bist du immer so hartherzig?«, fragte ich. Wir saßen bei Tommy’s, einem billigen Laden mitten auf dem Campus, der die beste amerikanische Pizza in ganz Cambridge servierte. Auf dem einen Fernsehbildschirm lief ein alter Schwarzweißfilm. Der andere zeigte ein Eishockeyspiel. Die alte Musikbox in der Ecke spielte eine zerkratzte Bluesscheibe. Für das Tommy’s war es ziemlich früh. Hier ging erst nach Mitternacht richtig die Post ab, also hatten Ashley und ich die freie Platzwahl.
»Ich bin nicht hartherzig«, sagte Ashley. »Ich hab einfach nur keine Schwäche für euch Internatsschnösel mit eurem Ich-bin-größer-als-Gott-Scheiß.«
»Ich bin alles andere als ein Internatsschnösel.«
»Klar, und der Papst ist nicht katholisch.«
»Ich komme aus der South Side von Chicago. Glaub mir, in meiner Gegend wohnen keine Internatsschnösel.«
»Spielt keine Rolle, woher du kommst«, sagte sie. »Allein die Tatsache, dass du hier in Harvard studierst, macht dich zum Schnösel.«
Ich beschloss, das Thema zu wechseln. Es war offensichtlich, dass ich die Schnöseldiskussion nicht gewinnen konnte. »Warum will ein cleveres und hübsches Mädchen wie du unbedingt in den Küchen von Harvard arbeiten?«
»Ich will nicht dort arbeiten«, sagte sie, »ich brauche den Job. Die Arbeitszeiten sind flexibel, und bislang konnte ich euch Jungs noch halbwegs ertragen. Aber wer weiß, wie lange ich noch durchhalte.«
Unsere Pizza wer fertig, ein großes Stück mit Gemüse auf ihrer Seite und Peperoni auf meiner. Das Beste an Tommy’s war, dass man bei einem großen Stück Pizza Rabatt auf die Zweiliterflasche Limonade bekam. Das war für Leute wie mich, die ständig knapp bei Kasse waren, eine große Hilfe.
»Erzähl mir von deinem College«, sagte ich. »Ich weiß nicht besonders viel darüber.«
»Das hätte ich auch nicht erwartet. Es ist ein staatliches College in einer Gegend der Stadt, die du normalerweise nie besuchen würdest. Nicht unbedingt das beste College, hauptsächlich Leute aus der Gegend und Teilzeitstudenten, aber es ist bezahlbar. Wenn ich meine Noten dieses Jahr halten kann, wechsle ich vielleicht an die University of Massachusetts oder die Boston University.«
»Was studierst du?«
»Politische Wissenschaften im Hauptfach.«
»Deshalb also Locke.«
»Hast du gedacht, ich will dich nur beeindrucken?«
»Niemals«, sagte ich und schüttelte den Kopf. »Warum hast du keinen Freund?«
»Vielleicht aus demselben Grund, warum du keine Freundin hast.«
»Ich habe nie gesagt, dass ich keine habe.«
Ashley wollte aufstehen und griff nach ihrem Mantel.
»War nur ein Spaß«, sagte ich und hielt sie am Arm fest. »Ich bin völlig ungebunden.«
»Groß gewachsen und mit einem einigermaßen netten Lächeln«, sagte sie. »Ich hätte gedacht, dass es dir hier ziemlich leichtfallen würde, ein Mädchen aufzureißen.«
»Wer sagt denn, dass es nicht so ist?«
»Und warum hast du dann keins?«
»Sagen wir mal … ich befinde mich in einer Besinnungsphase meines Beziehungslebens.«
»Klingt nach einem Exfreundinnen-Problem.«
»Das kann man wohl sagen. Sie geht jetzt mit meinem größten Konkurrenten aus der Highschool.«
»Und du magst sie immer noch?«
»Nicht so sehr wie früher.« Ich log.
»Dann ist es vielleicht Zeit für etwas Neues.«
»Deswegen sitze ich ja hier mit dir.«
»Nicht so schnell, Harvard-Mann. Wir essen hier ganz einfach nur gemeinsam zu Abend, nichts anderes.«
Ich schaute sie an. Sie war so schön
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