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Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Titel: Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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bauen … Appleby stürmte die Treppe hinauf und klingelte an der Tür. Aber es war wohl die Art von Glocke, die niemand hörte.
    Er trat ein, holte eine Visitenkarte hervor, um sie Mr.   Tufton bringen zu lassen. Die Bibliothek roch nach altem Leder, nach Tabaksqualm, schlechten Abflüssen und Chinatee. Links strebte eine Treppe der Brüder Adam, schwer beladen mit Büchern und Papieren, einem fernen Dachfenster zu; vor ihm hing ein großes Porträt von Dr.   Borer; aus einem Raum zur Rechten kam das langsame Tack-tack einer Schreibmaschine, von ungeübter Hand bedient. Appleby wandte sich nach rechts. Die Maschine war uralt, und noch älter war die Dame, die darauf tippte, doch trotzdem saß sie mit der kritischen Miene desjenigen davor, der ein neumodisches Spielzeug mustert. »Können Sie mir sagen«, erkundigte sich Appleby, »wo ich Mr.   Tufton finde?«
    Die alte Dame blickte verwirrt von ihren Tasten auf. »Mr.   Tufton?« fragte sie zögernd. »Also, er ist schon seit einigen Tagen im Archiv. Und sehr beschäftigt. Außerordentlich beschäftigt. Ich überlege« – die alte Dame rümpfte ein wenig die Nase, als rieche sie, daß Appleby nicht das rechte Aroma nach altem Leder und Abflüssen und Tee mitbrachte –, »ja, ich überlege, ob Sie nicht besser ein andermal wiederkommen sollten.«
    »Leider handelt es sich um eine recht dringende Angelegenheit. Und mein Freund Ambrose Hetherton meinte …«
    »Mr.   Hetherton vom Museum!« Ein runzliges Lächeln lief über das Gesicht der alten Dame. Sie erhob sich – nicht ohne einen besorgten Blick auf die Maschine, als befürchte sie, daß sie ihre vorübergehende Unaufmerksamkeit ausnützen und sich davonmachen würde. »Ich bin sicher, Mr.   Tufton wird Sie empfangen. Wenn Sie so freundlich sein und hinaufgehen wollen, in den ersten Stock?« Sie griff in einen Stoß Papiere, zog eine Teekanne hervor und setzte sich wieder. »Obwohl er sehr beschäftigt ist. Seit Dr.   Borers Tod ist er ganz außer or dentlich beschäftigt.«
    Appleby kehrte in die Eingangshalle zurück. Das Porträt von Dr. Borer, stellte er zu seiner Überraschung fest, war unzweifelhaft ein Raeburn; Mr.   Tufton mußte schon seit sehr langer Zeit schwer beschäftigt sein … Er nahm die Treppe in Angriff. Das war nicht leicht, denn zwischen den Klippen modriger brauner Lederbände und den Wogen der Papierstöße hätte ein Fremder schon eine Seekarte brauchen können. Von hoch oben blickte das ärmliche Dachfenster mißtrauisch herunter, als glaube es selbst nicht daran, daß sein Licht den Seefahrer sicher in den Hafen leiten könne. Auf einem düsteren Treppenabsatz, als er eben einen Fuß vorsichtig zwischen zwei monumentale Folianten setzte, erschrak er gewaltig, als einer der braunen Flecken aus altem Leder sich plötzlich bewegte; einen Moment lang wandelte sich der Fleck zum gutmütigen Gesicht eines gelehrten Inders; dann verschwand die Erscheinung so plötzlich wieder, wie sie gekommen war. Wie in Trance langte Appleby schließlich oben an und ging durch die erste Tür, die er sah.
    Im Raum stand dick der Tabaksqualm. Als seine Augen sich daran gewöhnt hatten, entdeckte er einen zweiten Hindugentleman hoch oben auf einer Bibliotheksleiter; er hielt in jeder Hand einen aufgeschlagenen Band und ließ in rasendem Tempo den Blick vom einen zum anderen schweifen wie ein Mann, der ein rasches Tennisspiel verfolgt. Unten saß an einem kleinen Tisch ein dritter Orientale und trieb ähnliche literarische Studien: mit Hilfe einer starken elektrischen Glühbirne unterzog er die vergilbten Blätter eines Bandes einer Art Röntgenuntersuchung. Und an einem Tisch in der Mitte des Raumes saß ein Mann mit langem weißem Bart. Zu diesem ging Appleby hin mit einem »Mr.   Tufton, nehme ich an?«
    Eine Rauchwolke umfing Mr.   Tufton; auf seinem Tisch hatte er außer Büchern und Papieren nur eine Tabaksdose und einen Feuerlöscher. Jetzt nahm er die Pfeife aus dem Mund und sagte mit nüchternen Worten: »1837. Ich glaube, 1837 haben wir jetzt weitgehend beisammen.« Er blickte Appleby an, als sei es eindeutig an ihm, auf diese Eröffnung etwas zu sagen.
    »Ich heiße Appleby«, sagte Appleby. »Ich komme, um …«
    »Ich glaube tatsächlich«, beharrte Mr.   Tufton, »wir haben den Jahrgang ’37 beieinander.«
    Ein wenig verdattert versicherte Appleby ihm, daß das doch wunderbar sei.
    »Und ich hoffe«, fuhr Tufton fort, »daß wir bis zum Ende des Jahres noch mehrere Monate von

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