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Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)

Titel: Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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Feinde vorgehen mochte, die im Verborgenen lauerten, und was ihre nächsten Schritte sein mochten: Das und nur das war nun plötzlich ihr Leben. Sie bog die Heidebüsche auseinander und musterte von neuem das Haus. Was sie von ihrem Versteck aus sah, mußte die Ostseite sein; das Licht der Morgensonne funkelte auf Fenstern, die größtenteils geschlossen schienen, die Vorhänge vorgezogen. Das einzige Anzeichen von Leben war eine dünne blaue Rauchfahne, die sich träge, wie schlaftrunken, von einem Wirtschaftsteil erhob, der auf der anderen Hausseite liegen mußte. Das konnte man als Zeichen werten, daß die Zahl der Bewohner nicht allzugroß war … Sie überlegte, welche Route Dick Evans wohl zum Haus genommen hatte. Es gab einen Graben und einen an manchen Stellen durchbrochenen Erdwall, der vielleicht einmal die Grenze eines früheren, weniger großen Besitzes markiert hatte – ein Bauernhof vielleicht wie der, von dem sie kamen. Graben und Wall boten eine gewisse Deckung bis zum Stallgebäude, aber das Haus selbst wirkte wie eine Festung. Ihr Blick wanderte von der Landschaft zum Zifferblatt der Uhr an ihrem Handgelenk, aber sie zwang sich, nicht hinzusehen, und betrachtete statt dessen die Kuhle, die an der Stelle, an der Dick gelegen hatte, in der Heide zurückgeblieben war. Neben seinem Rucksack lag die Pistole. Er hatte sie dort gelassen.
    Mit Absicht. Denn auch wenn sie ihn erst einen halben Tag lang kannte, wußte sie, daß er solche Fehler nicht machte. Er hatte die Waffe für sie dort gelassen, ein weiteres Geheimnis dieses geheimnisvollen Menschen, ein Schritt zu dem Ziel, das sie beunruhigend gespürt hatte, als er aufbrach, auch wenn sie nicht wußte, was es war. Grimmig hob sie den Kopf und suchte den Horizont ab. Inzwischen mußten die Leute aufgestanden sein – wo immer es Leben gab, begann jetzt der Tag; irgendwo mußte doch ein wenig Rauch zu sehen sein, der auf wenigstens einen Weiler schließen ließ, ein paar Häuser, die sich im Schutz einer Senke zusammengetan hatten.
    Aber sie sah nichts. Sie überlegte, wie sich die Einsamkeit ermessen ließ, wie weit sich die Menschenleere in alle Richtungen erstrecken mochte, wieviel Quadratmeilen Ödnis die Highlands von Schottland umfaßten. Aber so wenig von ihrem Leben hatte sie hier verbracht. Und man vergaß so viel. Der verschneite Gipfel, den sie von der Kate aus gesehen hatten: Für jemanden, der sich auskannte, wäre er eine Orientierung gewesen. Aber am Ende blieb nur die Idee, das Gefühl, das Schottland war. Genau wie Dick Evans’ Art zu reden: Nach ein paar Jahren Oxford und Caravaggio hatte er seinen alten Tonfall vergessen, sein Rhythmus war englisch – aber eine Spur Amerika war doch geblieben, ein Geist, den er vielleicht sogar mit Absicht pflegte und der sie von der Freiheitsstatue hatte träumen lassen; die Erinnerung, die noch wach war, wenn er sie zum tollen Mädchen erklärte. Aber das waren müßige Überlegungen; was jetzt zählte, war, daß sie mehr von Schottland vergessen hatte, als gut für sie war. Das Blut bleibt mächtig, das Herz im Hochland … das mochte sein, aber es genügte nicht. Man hätte auch die Geographie des Hochlands gebraucht und das Gespür für die Menschen.
    Sie blickte auf die Uhr. Dann sah sie wieder hinüber zum Haus, starrte es an. Nichts regte sich, und über die hundert Schritte, die zwischen ihnen lagen, kam kein Laut. Sie blickte noch einmal auf ihre Uhr und dann auf den Erdwall, den Graben, die Heide ringsum. Ein Schaudern überlief sie. Aber es war ja auch kalt. Sie blickte auf die Uhr. Die zwanzig Minuten waren um.

Kapitel 10
    Habicht
    Sheila nahm die Pistole in die Hand und musterte sie. Sie war klein – die Art von Waffe, die üppig gerundete und spärlich bekleidete Damen auf dem Umschlag von Skandalzeitschriften aus ihrer Handtasche holten. Wie seltsam einem ganz unerwartet solch abwegige Gedanken in den Sinn kamen, dachte Sheila. Dann ging ihr durch den Kopf, daß unter diesen Umständen ja selbst dieser Gedanke schon seltsam war, und sie stellte fest, daß ihr Körper sich, während sie dies dachte, unmerklich in Richtung Haus in Bewegung gesetzt hatte, vorsichtig, geheimnisvoll dem Hause zukroch, aus dem Dick Evans nicht zurückgekehrt war.
    Sie zwang sich zum Innehalten und studierte noch einmal die Waffe. Versuchsweise hielt sie sie vor sich hin. Sie spürte, wie unter ihrer Daumenwurzel etwas nachgab. Sie sah nach: es war eine Art Druckknopf – wie beim Schalthebel eines

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