Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)
Freund in seine Gedanken versunken fanden. Das heißt, die ganze Sache geschieht höchstens zwei Meilen von diesem Cottage entfernt. Wir stecken mittendrin.«
»Vielleicht stecken Sie tiefer drin, als Sie denken.« Der falsche Orchard, der in einer Ecke des Raumes an einen Stuhl gefesselt saß, stieß wieder sein hohles Lachen aus.
Der junge Mann namens Mackintosh drehte sich zu ihm um. »Ich frage mich, ob Sie ein feindlicher Agent sind, ein Glücksritter, der nur seinen Gewinn im Sinn hat, oder schlicht und einfach ein Verräter. Wir unterlassen alle Feindseligkeiten, bis wir das wissen. Aber ein gewisses Maß an Unannehmlichkeiten werden Sie schon hinnehmen müssen. Was meinen Sie, Appleby, packen wir ihn auf den Boden?«
Appleby, der sich weiterhin im Cottage umsah, schüttelte den Kopf und ging hin zu dem Gefesselten. »Ich würde Sie unter die Verräter rechnen: das heißt, es kommt Ihnen jetzt vor allem darauf an, die eigene Haut zu retten. Was die Sache eher einfacher macht.«
»Einfacher?« Der falsche Orchard sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
»Sie können von Glück sagen, daß Sie nicht erschossen wurden. Es wäre doch nur wahrscheinlich gewesen, daß Sie Widerstand geleistet hätten, und im Handgemenge hätte sich ein Schuß gelöst. Das kann immer noch geschehen.«
»Ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen.«
Appleby löste ihm die Fesseln. »Ich glaube doch. Sie werden gewiß Zeichen geben müssen, daß alles hier seinen geplanten Gang geht – daß Sie weiter Ihre Rolle als Orchard spielen und wir hier sitzen und Däumchen drehen. Ich wette zehn zu eins, einer Ihrer kleinen Wahnsinnsanfälle genügt. Und die Frage ist ganz einfach: Machen Sie einen Spaziergang oder möchten Sie lieber erschossen werden?«
Der Mann richtete sich auf und streckte sich. »Sie sollten wissen«, sagte er, »daß ich kein Verräter bin und auch kein feindlicher Agent. Man hat mir auf einer Auslandsreise ein interessantes Angebot gemacht. Gut, ich gehe spazieren. Aber Sie müssen mir versprechen, daß Sie mich, wenn irgend möglich, heil in Ihr Gefängnis bringen. Denn meine Auftraggeber werden nicht allzu zufrieden mit mir sein, nicht wahr?« Er setzte ein groteskes Grinsen auf. »Ich denke, von diesem Punkt an können Sie mich als einen der Ihren betrachten.«
Hetherton, der gerade die Tasse zum Munde geführt hatte, gab einen angewiderten Laut von sich. »Wie recht ich hatte«, sagte er, »als ich diesem abscheulichen Menschen vom ersten Augenblick an mißtraute.«
»Zweifellos.« Appleby nickte knapp. »Jetzt hören Sie zu. Das Cottage hat einen Vorratskeller, der bis unter den Garten auf der Rückseite reicht. Eine kleine Falltür führt nach draußen und ist recht gut hinter Ginsterbüschen verborgen. Wir haben eine Chance, durch diese Tür und über die Kuppe des Hügels ungesehen zu entkommen. Das ist unsere beste Hoffnung, den echten Orchard zu finden.« Er drehte sich um. »Mackintosh, Sie bleiben hier und sorgen dafür, daß unser Freund keine Dummheiten macht: ein kleiner Spaziergang, auf und ab vor der Haustür, besorgte Miene. Wenn er versucht zu fliehen oder Zeichen zu geben, schießen Sie – und treffen –, und dann sprinten Sie und kommen nach. Hetherton und Miss Grant gehen besser mit mir; die Gefahr, daß wir entdeckt werden, steigt dadurch nicht groß, und die beiden können uns später noch äußerst nützlich« – er wandte sich an Sheila – »ein weiteres Mal äußerst nützlich sein.«
Wieder fiel Sheila sein Blick auf. Während dieser hastig gesprochenen Worte suchte sein Auge den Raum Zoll für Zoll ab. Einen Moment lang hielt es forschend bei der Öllampe, die von der Decke hing; dann wanderte es in die gegenüberliegende Raumecke, als habe dort etwas seine Aufmerksamkeit erregt. »Alles verstanden? Mackintosh hält den Gauner hier in Schach, wir anderen sehen zu, daß wir durch den Keller davonkommen.« Er war ein paar Schritte in die Richtung gegangen, in die er blickte, an dem falschen Orchard vorbei; plötzlich fuhr sein Arm herum, und der Mann ging zu Boden. Zugleich hob er den anderen Arm und gebot Schweigen. »So, mein Freund«, sagte er – und er sagte es ins Leere, denn der Mann war bewußtlos –, »dann machen Sie sich bereit für Ihren ersten Spaziergang.« Er hatte sich neben den Mann gekniet und zog ihm mit raschen Bewegungen die Kleider aus.
Hetherton war der erste, der begriff. »Ich gehe schon nach hinten«, sagte er, »und sehe mir den Keller an.«
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