Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen
Fel s brocken in der Hand.
»Es ist vollbracht«, sagt sie. Ihre Stimme zerreißt die Stille der Nacht.
So beginnt eine Feuersbrunst.
So gehen wir in Flammen auf.
Alles entgleitet meiner Kontrolle.
Felicity drückt mir den klebrigen Felsbrocken in die Hand. Sein Gewicht zieht mich nach vorn und ich stolpere.
»Was geschieht jetzt?«, fragt Ann. Die Dunkelheit gibt keine Antwort, nur ein leiser Windhauch flüstert in den Blättern über unseren Köpfen.
»Wir halten uns an den Händen und lassen das Tor aus Licht erscheinen«, sagt Felicity.
Sie fassen sich an den Händen und schließen die Augen, aber nichts geschieht.
»Wo ist es?«, fragt Felicity. »Warum seh ich es nicht?«
Zum ersten Mal an diesem Abend scheint Felicity ratlos. »Sie hat mir versprochen …«
Es funktioniert nicht. Sie wurden getäuscht. Wenn ich nicht so erleichtert und erschrocken wäre, würde ich sie bedauern.
»Sie hat mir versprochen …« , flüstert Felicity.
Kartik tritt auf die Lichtung. Als er uns sieht, drei von uns blutbeschmiert und nackt, bleibt er stehen. Er macht Anstalten, sich wieder zurückzuziehen, aber Felicity hat ihn schon erblickt.
»Was tun Sie hier?«, schreit sie ihn an.
Kartik antwortet nicht. Seine Augen wandern zu dem Stein in meiner Hand. Rasch lasse ich ihn fallen und der Felsbrocken poltert auf den Boden.
Diesen einen, kurzen Moment der Ablenkung nützt Fel i city. Sie packt einen spitzen Stock, stürzt sich damit auf Kartik und zieht eine tiefe Kratzspur quer über seine Brust. Blut sickert durch sein zerfet z tes Hemd und er stürzt, von der Gewalt des Angriffs überrascht, zu Boden. Felicity stellt ihre neue G e schicklichkeit als Bogenschützin zur Schau. Mit sicherer Hand hält sie den Stock in der Schw e be, b e reit, Kartik zu durchbohren.
»Ich hab dir gesagt, das nächste Mal kratzen wir dir die Augen aus«, knurrt sie.
Vorhin hatte ich gedacht, Felicity sei gefährlich, wenn sie sich mächtig fühlt. Ich habe mich geirrt. Verletzt und machtlos ist sie gefährlicher, als ich mir je hätte ausmalen können.
Kartik ist außerstande, sich zur Wehr zu setzen, verwu n det und am Boden liegend.
»Haiti«, brülle ich. »Verschone ihn und ich bringe euch ins Magische Reich.«
Schwer atmend steht Felicity vor ihm, den Stock immer noch wie eine Lanze auf ihn gerichtet.
»Fee«, wimmert Pippa und auch ihre Stimme klingt ein wenig erschrocken. »Sie will uns hinbri n gen.«
Langsam lässt Felicity den Stock sinken und schlendert zu uns zurück.
»Sie wird uns die magische Kraft verleihen, sobald wir dort sind«, sagt sie, tunlichst bemüht, ihr Gesicht zu wa h ren. »Ganz bestimmt.«
Kartik hinter ihr auf dem Boden ist sichtlich beu n ruhigt. Mit einem kleinen Kopfnicken gebe ich ihm zu verstehen: Keine Sorge, es wird schon gut gehen –obwohl ich mir dessen selbst nicht sicher bin. Ich habe keine Ahnung, was uns jenseits des Tores jetzt erwartet. Ich weiß nicht, was sie vielleicht angezettelt haben. Ich weiß nur, dass ich es tun muss.
Felicity sieht mich streng an. Alles hat sich für immer geändert. Es gibt kein Zurück. Ich folge ihnen in den Wald, wo sie ihre Kleider gelassen haben. Bald sind sie fertig a n gezogen und bereit.
»Nehmt meine Hände«, sage ich, das Beste ho f fend, das Schlimmste fürchtend.
36. Kapitel
D a s Tor pulsiert von Licht. Als wir hindurchsto l pern, scheint alles genauso, wie es war. Der Fluss rauscht weiter sein süßes Lied. Der Sonnenuntergang ist immer noch ein verschwender i sches Farbenspiel. Bl ü ten schweben vorbei.
»Seht ihr?«, sagt Felicity. Triumph leuchtet aus ihren Augen. »Nichts fehlt. Ich habe es euch gesagt, sie wollte die Macht, die die Magie verleiht, nur für sich selbst.«
Ich kümmere mich nicht um sie, lausche auf i r gendetwas Ungewöhnliches.
Sie hüpfen vor mir die Wiese hinunter und gehen auf den Garten zu, Hand in Hand, wie ein Trio von Ausschne i depuppen.
Der Wind dreht sich und bringt den Duft von R o sen mit sowie jenen anderen, üblen Geruch, der mich veranlasst, ihnen nachzulaufen.
»Wartet! Felicity, bitte hör mir zu, ich glaube, wir sol l ten umkehren.«
»Umkehren? Wir sind gerade erst angekommen«, sagt sie spöttisch.
Anns Gesicht ist hart wie Stein. »Wir kehren nicht z u rück o hne die magische Macht, die es uns erlaubt, a l lein hierherzugelangen.«
Plötzlich ist die Jägerin neben uns. Das überrascht und erschreckt mich. Seltsam, dass ich sie nicht habe kommen hören. Unwillkürlich fällt
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