Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen
haben.«
Ann wendet verlegen den Blick ab und unwillkürlich habe ich Mitleid mit ihr.
»Oooh, der Tee ist ein bisschen bitter …« , sagt Brigid und h ält ihre Teetasse hoch wie eine Königin. Sie kann uns wertvolle Informationen liefern, also tanzen wir nach ihrer Pfeife. Ich bin sogleich mit der Zuckerdose zurück und wir warten geduldig, bis sie zwei Stück Zucker verrührt hat. »Ich geb zu, Miss Sarah tat mir nicht die Bohne leid. Aber ich mach mich auf den Weg, um ihr auf einem Tablett das Frühstück zu bringen. Sie ist aber nicht im Bett, wo sie sein soll, sondern kauert wie ein Tier auf dem Boden und stre i tet mit Mary. Ich steh in der Tür und hör, wie Mary sagt: › 0 nein, Sarah, das können wir nicht tun, das können wir nicht! ‹ Und Sarah sagt so was wie: › Du machst dir ’ s leicht. Du willst raus aus dem Ganzen und willst mich verlassene Und Mary fängt leise an zu weinen und Sarah umarmt sie und küsst sie so stürmisch, dass mir ganz schwindlig wird. Fast wäre ich aus der Tür gekippt, das könnt ihr mir gla u ben. › Wir werden zusammen sein, Mary. Für immer. ‹ Und dann sagte sie noch was, was g e nau, weiß ich nicht, aber ’ s war die Rede von einem › O p fer ‹ . Sarah sagt: › Das ist ’ s, wonach er verlangt. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. ‹ Und da hat Mary sie gepackt und gesagt: › Es ist Mord, S a rah. ‹ Genau das hat sie gesagt: › Mord ‹ . Mir g e friert das Blut in den Adern, wenn ich bloß dran denke.«
Ann kaut an ihren Fingernägeln. Felicity umklammert meine Hand und ich spüre, wie kalt ihre Haut geworden ist. Brigid wirft einen Blick über die Schulter zur Tür, um sich zu vergewissern, dass wir allein sind.
»Ja, und dann muss ich ein Geräusch gemacht haben. Sarah war da wie der Blitz, Mord in den Augen. Hat mich gegen die Wand gedrückt, genau das hat sie getan. Hat mir ins Gesicht geschaut –kalte Augen hatte die, Augen ohne eine Seele –und gesagt: › Schnüffeln Sie, Brigid? ‹ Ich sa g te: › Nein, Miss. Ich bring Ihnen nur das Frühstück, wie die Direktorin es mir aufgetragen hat. ‹ Ich war halb tot vor Angst, das geb ich gerne zu. Da war was im Gange, das war überhaupt nicht gut.«
Wir warten mit angehaltenem Atem.
Brigid beugt sich näher zu uns. »Sie hatte so ‘ ne Hexe n puppe –ein Lumpending, wie sie die schmutzigen Zige u nerkinder rumschleppen –, und die hält sie mir vors G e sicht. Sie sagt: › Brigid, wissen Sie, was mit Schnüfflern und Verrätern geschieht? Sie werden bestraft ! Und dann riss sie mir glatt eine Haarlocke aus und wickelte sie fest um die Puppe. › Kein Sterbenswort, oder …‹ , warnte sie mich. › Und wehe, so was passiert noch mal. ‹ Da bin ich gerannt wie überhaupt noch nie in meinem Leben. Blieb den ganzen Tag in der Küche, jawohl. Und ein paar Tage später waren die beiden tot und ich kann nicht einmal s a gen, dass ich darüber traurig war. Nur um die arme Mrs Spence tat es mir leid.«
Brigid bekreuzigt sich rasch. »Ich wusste, sie füh r ten nichts Gutes im Schilde –die zwei mit ihren G e heimnissen und Schleichpfaden und den Besuchen bei Mutter Elena, als die Zigeuner hier durchgekommen sind.« Brigid b e merkt sehr wohl den Rempler, den mir Ann mit ihrem El l bogen versetzt. »O ja, ich weiß alles über heimliche Au s flüge zu Mutter Elena. Die alte Brigid ist nicht erst seit Son n tag vor acht Tagen auf der Welt. Haltet euch lieber von der Zigeunerin fern. Die ist nicht ganz richtig im Kopf und schwatzt viel verrücktes Zeug daher. Ich hoffe, ihr Mädchen lasst euch nicht in irgendwelche zweifelhaften Sachen verw i ckeln.«
Der Blick, mit dem sie uns mustert, spricht Bände. Um ein Haar lasse ich die Zuckerdose fallen, die ich noch i m mer in den Händen halte.
»Natürlich nicht«, sagt Felicity von oben herab. Sie hat von Brigid bekommen, was sie wollte, also ist es in ihren Augen unnötig, ihr noch weiter um den Bart zu streichen.
»Das will ich hoffen. Ich möchte nicht, dass Sie anfa n gen, so ein überspanntes Theater zu machen und sich ve r rückte Namen zuzulegen, wie die zwei es getan haben. Glaubten, sie wären Herzoginnen oder was. Sarah wollte, dass ich sie … äh, wie war ’ s noch gleich, wie sollte ich sie nennen?« Sie hält inne, denkt nach, schüttelt den Kopf. »Na ja, nichts zu m a chen, hab ein Gedächtnis wie ein Sieb. Es lag mir schon auf der Zunge. Aber wehe, wenn ich h e rau s finde, dass ihr drei diesen Zigeunerhokuspokus treibt. Dann
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