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Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen

Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen

Titel: Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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»Ich möchte nicht die Ursache einer Misssti m mung zwischen Ihnen und Ihren Angehör i gen sein, Miss Temple und Miss Hawthorne. Hier. Die Obstschale gehört Ihnen. Ich bin sicher, Ihre Eltern würden von einem Stilll e ben begeistert sein.«
    Felicity geht zu einer Schüssel mit Modellierton hinüber. »Darf ich eine Skulptur machen, Miss Mo o re?«
    »Wenn Sie es wünschen, Miss Worthington. He i lige Götter, ich weiß nicht mehr, halte ich nun Unte r richt oder hält ihn die Klasse mit mir.« Sie reicht F e licity einen Klumpen Ton.
    »Um sicherzugehen, dass der Nachmittag trotz allem e i nen erzieherischen Effekt hat«, sagt Miss Mo o re mit Blick auf Cecily, »werde ich aus David Co p perfield vorlesen. Erstes Kapitel: Ob ich der Held meines eigenen Lebens sein werde oder ob ein and e rer diese Rolle übernehmen wird, das müssen diese Seiten zeigen …«
     

     
    Am Ende der Stunde prüft Miss Moore unsere Bilder und murmelt dabei Lob oder Korrekturvo r schläge. Als sie zu meinem Werk kommt –ein großer, mis s glückter Apfel, der die ganze Fläche einnimmt –, betrachtet sie es eine schei n bare Ewigkeit lang mit g e schürzten Lippen. »Wie überaus modern, Miss Do y le.«
    Cecily platzt lachend heraus, als sie das Bild sieht. »Soll das vielleicht ein Apfel sein?«
    »Selbstverständlich ist es ein Apfel«, sagt Felicity scharf. »Ich finde ihn großartig, Gem. Echt avantgardi s tisch.«
    Ich bin nicht zufrieden. »Der Apfel braucht vorn mehr Licht, damit er glänzt. Ich füge immer wieder Weiß und Gelb hinzu, aber das macht alles nur ve r waschener.«
    »Sie müssen hier hinten einen Schatten andeuten.« Miss Moore taucht den Pinsel in Sepia und malt am äußeren Rand meines Apfels einen Bogen. Plötzlich kommt der Glanz des Apfels zum Vorschein und das Ganze sieht viel besser aus. »Die Italiener nennen das chiaroscuro, wörtlich Helldunkel. Es meint das Spiel von Licht und Schatten in einem Bild.«
    »Warum könnte Gemma nicht einfach Weiß hi n zufügen, um den Apfel glänzend zu machen?«, fragt Pippa.
    »Weil man ohne eine Andeutung von Schatten das Licht nicht bemerkt. Alles enthält Licht und Scha t ten. Man muss damit spielen, um den richtigen Ko n trast zu erzielen.«
    »Wie würdest du das Bild nennen?« Cecilys Ton trieft vor Geringschätzung.
    »Die Entscheidung«, platze ich zu meiner eigenen Übe r raschung heraus.
    Miss Moore nickt. »Die Frucht der Erkenntnis. Wirklich sehr interessant.«
    »Meinen Sie, so wie das mit dem Apfel Evas? Wie das im Garten Eden?«, fragt Elizabeth. Vorsichtig versucht sie nun, ihrem Bild Sepiaschatten hinzuz u fügen, und das lässt ihre Früchte zerbeult und hässlich aussehen. Aber ich we r de mich hüten, ihr das zu sagen.
    »Wir wollen die Künstlerin fragen. War das Ihre A b sicht, Miss Doyle?«
    Ich habe keine Ahnung, was ich damit gemeint habe, wirklich nicht. Ich suche nach einer sinnvollen Erklärung für mich selbst. »Ich glaube, es geht darum, mehr zu erfa h ren und hinter die Dinge zu bl i cken.«
    Felicity wirft mir einen verschwörerischen Blick zu.
    Cecily schüttelt den Kopf. »Ich finde, das ist kein b e sonders passender Titel. Eva wollte den Apfel nicht von sich aus essen. Sie wurde von der Schlange dazu verführt.«
    »Ja«, sage ich zögerlich, denn meine Gedanken sind noch nicht ganz ausgegoren. »Aber … sie hätte nicht hi n einbeißen müssen. Das hat sie aus freien Stücken getan.«
    »Und dabei das Paradies aufs Spiel gesetzt. Nein danke. Ich würde dort in dem Garten bleiben«, sagt Cecily.
    »Auch das ist eine Entscheidung, Miss Temple«, b e merkt Miss Moore.
    »Eine sichere«, gibt Cecily zurück.
    »Es gibt keine sicheren Entscheidungen. Es gibt nur u n terschiedliche Entscheidungen.«
    »Mama sagt, dass Frauen nicht dazu bestimmt sind, allzu viele Entscheidungen zu treffen. Es würde sie überfo r dern.« Pippa wiederholt das wie eine Le k tion, die sie gut gelernt hat. »Deshalb sollen wir uns unseren Ehemännern unterordnen.«
    »Jede Entscheidung hat Konsequenzen«, sagt Miss Mo o re und scheint dabei mit ihren Gedanken weit weg zu sein.
    Felicity nimmt den angebissenen Apfel aus der Schüssel. Das süße weiße Fruchtfleisch ist an der Luft braun gewo r den. Sie senkt ihre Zähne hinein und setzt ein neues, saub e res Zeichen.
    »Köstlich«, nuschelt sie mit vollem Mund.
    Miss Moore wendet sich uns lachend wieder zu. »Wie ich sehe, kompliziert Miss Worthington die Angelegenheit nicht durch langes

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