Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
Lichter zu einem trüben Schimmer. Sie kann es sich nicht verkneifen , sich auf dem Weg zum Diens t botenzimmer noch einmal laut und unwillig zu räuspern. S o bald sie allein ist , nimmt die Frau ihren Hut ab. Volles dun k les Haar und ein strenges Gesicht mit dic h ten Augenbrauen kommen darunter zum Vorschein. Sie sieht sich im Raum um , ihr Blick wandert von dem schlangenarmigen Kronleuchter zu den in Stein geme i ßelten Nymphen und Satyrn da und dort. Zweifellos hat sie schon die Ansammlung von Wasserspeiern auf dem Dach b e merkt und fragt sich wahrscheinlich , wo sie da wohl gela n det ist.
Sie legt den Kopf in den Nacken und schaut in das ri e sige Treppenhaus hinauf. Sie blinzelt , als sehe sie mich. Schnell ziehe ich mich in den Schatten zurück und dr ü cke mich flach gegen die Wand. Im nächsten Moment höre ich Brigids schri l le Stimme , die dem verschlafenen Zimmermädchen barsche Befehle erteilt.
»Das ist Miss McChennmine , unsere neue Lehrerin. Kü m mere dich um ihre Sachen. Ich führe sie in ihr Zimmer.«
Mimi , das Stubenmädchen , gähnt und greift nach dem leichtesten Gepäckstück , einem Handkoffer , aber Miss McChennmine kommt ihr zuvor.
»Wenn es dir nichts ausmacht , trage ich den lieber selbst. Er enthält meine persönlichen Dinge.« Sie lächelt , ohne ihre Zähne zu entblößen.
»Ja , Miss.« Mimi knickst reumütig und wendet sich seu f zend dem schweren Koffer in der Eingangshalle zu.
Brigids Kerze lässt Licht und Schatten durch das Treppe n haus tanzen. Ich fliege auf Zehenspitzen den Flur entlang und flüchte mich hinter einen Farn auf einem Holzgestell. Im Schutz seiner breit gefächerten Blätter beobachte ich die be i den. Brigid geht voraus , aber Miss McChennmine hält auf dem Treppenabsatz inne. Sie betrachtet alles , als hätte sie es schon einmal gesehen. Dann geschieht etwas sehr Merkwü r diges. An der mäc h tigen Doppeltür , die in den vom Feuer zerstörten Ostfl ü gel führt , bleibt die Frau stehen und drückt ihre flache Hand an das verzogene Holz.
Ich beuge mich vor , um besser zu sehen , dabei stoße ich mit der Schulter gegen den Farn. Das Holzgestell wackelt bedrohlich. Schnell strecke ich die Hand aus , um es festzuha l ten , aber Miss McChennmine hat etwas g e merkt.
»Wer ist da?« , ruft sie.
Mein Herz klopft wild und ich mache mich so klein wie möglich , in der Hoffnung , dass mich der Farn ve r birgt. Es wäre ganz und gar nicht gut , hier mitten in der Nacht beim Herumspionieren ertappt zu werden. Ich höre das Knarren der Dielen , das mir Miss McChennm i nes Nahen verrät. Ich bin erledigt. Ich werde alle meine Pluspunkte für gute Führung verlieren und eine Ewigkeit damit verbringen müssen , zur Strafe Bibelstellen abz u schreiben.
»Bitte hierherauf , Miss McChennmine« , ruft Brigid von oben.
»Ja , ich komme« , antwortet Miss McChennmine. Sie folgt Brigid die gewundene Treppe hinauf , bis das Haus wieder dunkel und still ist und nichts mehr zu hören ist außer dem Regen.
* **
Endlich umfängt mich der Schlaf , aber nicht mit sanften A r men , sondern mit Träumen vergiftet. Ich sehe das M a gische Reich , das frische Grün des Gartens , das klare Blau des Flu s ses. Aber das ist nicht alles. Ich sehe auch Blumen , die schwarze Tränen weinen. Drei Mädchen in Weiß vor dem Grau des Meeres. Eine Gestalt in einem dunkelgrünen Mantel. Etwas , was sich aus dem Meer erhebt. Ich kann es nicht s e hen , ich sehe nur die Gesic h ter der Mädchen und die nackte Angst , die sich in ihren Augen spiegelt , bevor sie schreien.
Ich wache für einen Moment auf , die Umrisse des Zimmers schälen sich aus der Dunkelheit , aber der Sog des Schlafes ist zu stark und ich werde in einen letzten Traum hineingezogen.
Pippa kommt auf mich zu , mit einem Blumenkranz wie e i ne Krone auf dem Kopf. Ihr Haar ist dunkel und glänzend wie immer. Es weht offen um ihre bloßen Schultern und hebt sich fast schwarz von der Blässe ihrer Haut ab. Hinter ihr blutet der Himmel , das rote Blut sickert in dicke graue Wolke n stränge und ein knorriger Baum krümmt sich zusammen , als sei er lebendig ve r brannt und dies das Einzige , was von seiner einst stolzen Schönheit übrig geblieben ist.
»Gemma« , sagt sie und das Echo meines Namens dröhnt in meinem Kopf , bis ich nichts anderes mehr h ö ren kann. Ihre Augen. Irgendetwas stimmt nicht mit i h ren Augen. Sie sind bläulich weiß , von der Farbe frischer Milch , umrahmt von einem schwarzen Ring
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