Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
hatte ich heute schon eine wundervolle Begegnung mit dem Sohn eines Viscounts. Ich bin ganz zuversichtlich. Ja , das wird ein erfreulicher Besuch mit Tanz und Geschenken und vie l leicht sogar einer Abendeinladung im Haus eines gut au s sehenden jungen Mannes aus adeliger Familie. Vater liebt Weihnachten. Der Geist des Weihnachtsfestes wird ihn aufheitern und er wird das Laudanum nicht so dri n gend brauchen. Felicity , Ann und ich werden gemeinsam den Tempel finden und die Magie in Gewahrsam bringen und alles wird ein gutes Ende nehmen.
Ein Mann , der es offensichtlich eilig hat , stößt mich an , o h ne sich zu entschuldigen. Aber was soll ’ s. Ich verzeihe Ihnen , Herr Wichtig mit den spitzen Ellbogen. Glück und Segen auf all Ihren Wegen! Denn ich , Gemma Doyle , werde w undervo l le Weihnachten in London verbri n gen. Ich werde glücklich und zufrieden sein. Amüsieren Sie sich gut , meine Herren. Und Damen.
Tom versucht verzweifelt , in dem Gedränge eine stande s gemäße Droschke aufzutreiben.
»Aber wo ist die Kutsche?« , frage ich.
»Es gibt keine Kutsche.«
»Aber du hast gesagt …«
»Nun ja , ich wollte Middleton nicht die demütigende G e nugtuung verschaffen , uns mitzunehmen. Wir haben zu Hause eine Kutsche , immerhin. Aber wir haben ke i nen Kutscher. Der alte Potts hat uns erst vor zwei Tagen ziemlich überr a schend verlassen. Ich wollte eine Anzeige aufgeben , aber Vater sagt , er habe schon jemanden g e funden. Oh , verflixt …«
Mit ein bisschen Drängeln und Rempeln finden wir eine Droschke und machen uns auf den Weg zu unserem Londoner Heim , das ich noch nicht kenne.
»Ich kann ’ s nicht glauben , dass du ausgerechnet Simon Middleton über den Weg gelaufen bist« , sagt Tom , als wir den Bahnhof hinter uns lassen. »Und jetzt werden wir bei seiner Familie zu Abend essen.«
Es ist kaum der Erwähnung wert , dass Seine Hochwohlg e boren Simon Middleton mich zum Abendessen eingeladen hat , nicht Tom. »Er ist also wirklich der Sohn eines Vi s counts?«
»Allerdings. Sein Vater ist ein Mitglied des Oberhauses und ein sehr einflussreicher Förderer der Wissenschaft. Mit seine r H ilfe könnte ich es tatsächlich weit bringen. Nur sch a de , dass sie keine heiratsfähige Tochter haben.«
»Schade? Ich würde eher sagen , Gott sei Dank.«
»Also will meine eigene Schwester mich nicht unterstü t zen? Übrigens , solltest du nicht eine bildhübsche z u künftige Ehefrau mit einem netten kleinen Vermögen für mich finden? Hast du an dieser Front einen Erfolg zu verzeichnen?«
»Ja – ich habe sie alle gewarnt.«
»Und fröhliche Weihnachten allerseits!« , sagt Tom l a chend. »Ich habe gehört , wir werden den Weihnachtsball de i ner Freundin Miss Worthington besuchen. Vielleicht finde ich unter den anwesenden Damen dort eine pa s sende –soll heißen –reiche Frau.«
Und vielleicht werden sie alle schreiend ins Kloster rennen.
»Wie geht es Vater?« , frage ich endlich. Die Frage , die wie Feuer in mir brennt.
Tom seufzt. »Wir machen Fortschritte. Ich habe die Laud a num-Flasche weggesperrt und ihm eine gegeben , deren Inhalt ich mit Wasser verdünnt habe. Er bekommt immer weniger davon. Leider hat das dazu geführt , dass er mitunter ziemlich übellaunig ist und von schrecklichen Kopfschmerzen geplagt wird. Aber ich bin sicher , es funktioniert.« Er sieht mich an. »Du darfst ihm auf ke i nen Fall mehr geben , verstehst du? Er ist schlau und er wird dich erpressen.«
»Das würde er nie tun« , entgegne ich heftig. »Mit mir b e stimmt nicht. Das weiß ich.«
»Nun , vielleicht …«
Tom spricht den Gedanken nicht zu Ende. Wir versi n ken i n Schweigen , leihen unser Ohr nur dem Lärm , der von den Straßen hereindringt. Bald verflüchtigt sich mein Ärger und die aufregende Atmosphäre der Stadt nimmt mich gefangen. Die Oxford Street ist ein faszinierender Ort. All die großart i gen Gebäude , eins am anderen. Wie hoch und stolz sie aufr a gen. Und die gerafften Markisen strecken sich über die Ge h steige wie die Röcke koketter Damen , die verführerisch den Saum lüpfen. Da ist ein Papierwarengeschäft , ein Kürschner , ein Fotoatelier und ein Theater , wo mehrere Kunden an der Kasse Schlange stehen , um Karten für die Abendvorstellung zu erwe r ben.
»Verdammt!«
»Was ist?« , frage ich.
»Ich soll für Großmama einen Kuchen besorgen und wir sind gerade an dem Geschäft vorbeigefahren.« Tom ruft dem Kutscher zu , der mit einem Ruck am Zügel hält.
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