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Der Geheimnistraeger

Der Geheimnistraeger

Titel: Der Geheimnistraeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kanger
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vor? Er hatte zwar immer schon einen Hang zur Tagträumerei gehabt, aber Skov hatte sich in letzter Zeit immer häufiger gefragt, was eigentlich mit ihm los war und ob Paulsen nicht allmählich alles entglitt.

    »Gibt’s was Neues?«, fragte Skov verärgert. Paulsen, der ihm am Schreibtisch gegenübersaß, hob den Blick, der auf irgendwelchen Papieren geruht hatte. »Irgendetwas muss sich doch ergeben haben. Es ist langsam an der Zeit«, sagte Skov noch verdrossener. »Ein Szenario, eine neue Idee. Dafür bezahlen wir dich. Verdammt, irgendwas!«
    Vincent lächelte schwach. Sein Gesichtsausdruck bestätigte nur Skovs Verdacht, dass Paulsen nicht auf der Höhe war. Das Telefon klingelte.
    »Entschuldige«, sagte Vincent und griff zum Hörer.
    Skov betrachtete Paulsen eingehend während des Gesprächs. Im Übrigen handelte es sich um kein richtiges Telefonat. Paulsen hörte zu, und der andere erzählte. Unsinn vermutlich. Diese Ermittlung hatte bislang nur Unsinn ergeben. Paulsen legte auf. »Entschuldige«, sagte er erneut und lächelte. »Aber ich muss weg.«
    Skov folgte ihm mit dem Blick, als er das Zimmer verließ.
    Vincent beschloss, zu Fuß zu gehen. Vom Präsidium zur Vor Frue Kirke war es nicht weit. Der Morgen war angenehm und lud zur Kontemplation ein.
     
    Simon Herschfeld stand in der Tür, als Vincent seinen Laden erreichte. Er brauchte also nicht zu klopfen. Man konnte sofort merken, dass der alte Juwelier gute Laune hatte. »Mein lieber Paulsen«, begrüßte er den Beamten, »wie nett, Sie wiederzusehen. «
    Die Tür wurde hinter Vincent geschlossen. »Darf ich Ihnen etwas Kaltes zu trinken anbieten? Der Sommer hat es mit der Wärme ja wirklich gut mit uns gemeint.« Vincent willigte natürlich ein. Schließlich trieb man einen alten Mann nicht zur Eile an. Herschfeld würde ihm schon früh genug erzählen, was es gab.

    Sie nahmen im Laden Platz, Herschfeld auf seinem Arbeitsstuhl und Paulsen in einem ausladenden Besuchersessel, der mit seiner Größe nur schlecht in den kleinen Laden passte. Vincent vermutete, dass er für die Männer vorgesehen war, während sich ihre Frauen Schmuck aussuchten.
    »Dieser Tag hat nicht gut begonnen«, sagte Herschfeld. »Sie haben doch wohl die Zeitung gelesen? Der neueste Vorschlag dieser armen Frau und ihrer schamlosen Partei.«
    Vincent hatte die Zeitung gelesen. Herschfeld meinte die Dansk Folkeparti, die sich wieder gegen die nicht in Dänemark geborenen Bevölkerungsgruppen gewandt hatte.
    »Wissen Sie«, sagte Herschfeld, »diese seltsame Angst vor dem Fremden. Ich glaube, dass es sich bei der Xenophobie in unserem Land eigentlich um die Angst vor dem Tod handelt. Ohne frisches Blut werden wir und ganz Europa langsam aussterben, da wir nicht mehr genügend eigene Kinder bekommen. Das wissen alle. Aber statt unsere Retter willkommen zu heißen, machen wir die Tür vor ihrer Nase zu. Wir verleugnen unser Schicksal und glauben, wir seien unsterblich. Ein richtiger Däne stirbt nicht! Wie töricht!«
    Vincent hörte geduldig zu. Er dachte über diese Fragen nicht sonderlich viel nach. »Da ist sicher was dran«, meinte er. Dann wartete er wieder.
    »Sie fragen sich sicherlich, warum ich Sie hierhergebeten habe«, sagte der Juwelier. »Ich habe am Telefon sicher etwas geheimnisvoll geklungen. Das war natürlich beabsichtigt. Sie müssen das einem alten Mann nachsehen, wir haben nicht mehr so viel Vergnügen im Leben.«
    Der Juwelier erwartete keine Antwort, denn es war keine nötig.
    »Ich dachte, dass meine Analyse Sie vielleicht interessieren könnte.«

    »Ihre Analyse«, erwiderte Paulsen, »interessiert mich in höchstem Maße.« Er passte sich intuitiv der Sprache des alten Mannes an. Der Laden lud zu einem vertraulichen Gesprächston ein. Es fiel ihm schwer, seine Neugier zu zügeln. Vielleicht ging es ja nur darum, dass ein einsamer Mann etwas Gesellschaft brauchte, aber das glaubte Paulsen nicht. Herschfeld hatte etwas entdeckt.
    »Sehen Sie sich noch einmal diese Fotos an.« Der Juwelier hielt drei Aufnahmen des Ringes hoch. Vincent beugte sich vor. »Die Pfeiler«, meinte Herschfeld. »Bei Ihrem letzten Besuch ist mir das nicht aufgefallen. Schauen Sie genau hin. Was sehen Sie?«
    Paulsen merkte, dass ihre Unterhaltung Zeit kosten würde, aber er spielte gerne mit. »Ist es etwas, was auch ich als NichtFachmann sehen kann?«
    »Natürlich. Was sehen Sie, lieber Paulsen?«
    »Pfeiler, sagen Sie. Ja, sie sind gleich breit … der eine ist länger als der

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