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Der Geheimnisvolle Eremit

Der Geheimnisvolle Eremit

Titel: Der Geheimnisvolle Eremit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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der Seite Eurer Nachbarn.«
    »Vater Prior«, erwiderte Eilmund mit der Direktheit eines Menschen, der genau wußte, wieviel er in den Augen des Abtes wert war, »in all den Jahren, die ich der Abtei diene, gab es nie Klagen über meine Arbeit. Ich mache täglich meine Runden und häufig auch des Nachts, aber ich gebiete nicht über den Regen, und ich kann nicht überall gleichzeitig sein. Eine solche Folge von Unglücksfällen in so kurzer Zeit habe ich noch nie erlebt. Ich kann auch John von Longwood keinen Vorwurf machen, denn er war stets ein so guter Nachbar, wie man es sich nur wünschen kann.«
    »Das ist wahr«, sagte Abt Radulfus entschieden. »Wir haben allen Grund, ihm für seinen guten Willen dankbar zu sein, und wir werden ihn jetzt nicht in Zweifel ziehen. Ebensowenig stelle ich Eure Geschicklichkeit und Hingabe in Frage. Dazu gab es noch nie einen Anlaß, und ich sehe auch jetzt keinen.
    Widrigkeiten werden uns gesandt, auf daß wir sie überwinden, und kein Mensch kann erwarten, sein Leben lang von solchen Prüfungen verschont zu bleiben. Wir können den Verlust verschmerzen. Tut, was in Euren Kräften steht, Eilmund, und wenn Ihr Helfer braucht, dann sollt Ihr sie bekommen.«
    Eilmund, der immer stolz darauf gewesen war, seine Arbeit allein verrichten zu können, bedankte sich etwas mürrisch, lehnte das Angebot jedoch für den Augenblick ab und versprach, sofort eine Nachricht zu schicken, falls noch etwas geschehen sollte. Dann ging er so energisch wie er gekommen war wieder hinaus und kehrte zu seiner Hütte im Wald und seiner Tochter zurück. Er haderte mit seinem Schicksal, da er keinen Menschen fand, dem er die Schuld geben konnte.
    Auf geheimnisvollen Wegen hatte auch der junge Richard vom außergewöhnlichen Anlaß für Eilmunds Besuch erfahren, und natürlich war alles, was mit seiner Großmutter und den Menschen, die in Eaton arbeiteten und lebten, zu tun hatte, von besonderem Interesse für ihn. So weise und umsichtig sein Vormund, der Abt, auch war, so fähig der Verwalter auch schien, es war seine Pflicht, seinen Besitz selbst in Augenschein zu nehmen. Wenn es in der Nähe von Eaton ein Unglück gegeben hatte, dann mußte er den Grund erfahren.
    Weit eher als Abt Radulfus war er geneigt, an Bosheit zu glauben, so unverständlich sie auch im Augenblick schien, denn er wußte genau um die Verderbtheit der Menschen, da er selbst nicht selten als mehr oder weniger unschuldiger Missetäter angeklagt worden war.
    Wenn die Schafe von Eaton nicht durch die Hand Gottes ins Eschengehölz von Eyton eingedrungen waren, sondern weil jemand ihnen den Weg gebahnt und die Richtung zum Festmahl gezeigt hatte, dann wollte Richard wissen, wer es warum getan hatte. Immerhin waren es seine Schafe.
    So beobachtete er jeden Morgen zur Stunde des Kapitels das Kommen und Gehen der Besucher. Zwei Tage später wurde seine Neugierde geweckt, als sich ein junger Mann am Torhaus meldete, den er nur ein einziges Mal gesehen hatte. Der Mann bat sehr höflich um Erlaubnis, im Kapitel eine Botschaft seines Herrn Cuthred vorzubringen. Er war zu früh gekommen und mußte eine Weile warten, was er in heiterer Gelassenheit tat.
    Das paßte Richard gut, denn er durfte der Schule nicht fernbleiben, doch wenn das Kapitel vorbei war, hatte er frei und konnte dem Besucher auflauern, um seine Neugierde zu befriedigen.
    Jeder Eremit, der etwas auf sich hält und Gelübde abgelegt hat, die ihn an seine Klause und seinen eingefriedeten Garten binden, und der über die Gabe der Voraussicht verfügt und die heilige Pflicht hat, sie zum Wohl seiner Nachbarn einzusetzen, braucht einen Gehilfen, der für ihn die Botengänge erledigt und seine Ermahnungen und Vorwürfe übermittelt. Der Junge stand anscheinend schon eine ganze Weile in Cuthreds Diensten und hatte ihn auf seinen Wanderungen begleitet, um sich mit ihm an dem zurückgezogenen Ort niederzulassen, der von Gottes Hand ausgewählt worden war. Bescheiden, doch selbstsicher betrat er das Kapitelhaus und ließ sich gelassen von den neugierigen Brüdern begaffen. Er schien durch die vielen hellen, neugierigen Augen keineswegs aus der Fassung gebracht.
    Cadfael, der wie üblich weit im Hintergrund saß, musterte den Besucher interessiert. Ein seltsamer Diener für einen Einsiedler und Heiligen, der nach altem keltischen Brauch lebte und sich nicht um Kanonisierung scherte; doch Cadfael kam nicht so schnell darauf, wo die Unstimmigkeit lag. Vor ihm stand ein junger, etwa

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