Der Geheimnisvolle Eremit
an einem anderen Ort ins Kampfgetümmel zu stürzen. Es wäre nicht das erste Mal, und es konnte jederzeit wieder geschehen.
Hugh tat die Schwäche seines Lehnsherrn mit einem Achselzucken ab und wanderte über den großen Hof zu den Gemächern des Abtes, um Radulfus bei der Pflege seiner kostbaren, wenn auch schon etwas verblühten Rosen zu stören.
Bruder Cadfael, inzwischen vom Hospital in St. Giles zurückgekehrt, war in seiner Hütte emsig damit beschäftigt, Bohnen für die Aussaat des nächsten Jahres auszusortieren, als Hugh die Gemächer des Abtes verließ und das Herbarium betrat. Cadfael, der die raschen, leichten Schritte auf dem Kies erkannte, begrüßte ihn, ohne den Kopf zu heben.
»Der Bruder Pförtner sagte mir, daß Ihr etwas mit dem Abt zu besprechen hattet. Was ist im Gange? Neuigkeiten aus Oxford?«
»Nein«, erwiderte Hugh, während er sich gemählich auf die Bank an der Holzwand setzte, »viel näher. Genauer gesagt habe ich Neuigkeiten aus Eaton. Richard Ludel ist tot. Die Witwe schickte heute morgen einen Knecht. Der Sohn besucht Eure Schule hier.«
Cadfael drehte eine Tonschale mit Samen, die noch am Stock getrocknet waren, in der Hand. »So ist es. Nun, dann ist also sein Vater gestorben? Wir hörten schon, daß er sehr schwach sei. Der Junge war höchstens fünf, als er zu uns kam, und seine Familie hat ihn nur selten nach Hause geholt. Der Vater glaubte wohl, sein Kind sei hier unter Gleichaltrigen besser aufgehoben als am Krankenlager eines Sterbenden.«
»Und besser als unter der Fuchtel einer äußerst energischen Großmutter, wie ich hörte. Ich kenne die Dame nur vom Hörensagen«, erklärte Hugh nachdenklich. »Den Mann kannte ich allerdings, wenn ich ihn auch nicht mehr gesehen habe, seit wir unsere Verwundeten aus Lincoln zurückbrachten. Ein guter Kämpfer und ein anständiger Mann, aber verschlossen und schweigsam. Wie ist der Junge?«
»Klug und lebhaft… Um die Wahrheit zu sagen, ein sehr gewinnendes Bürschchen, das sich ständig in Schwierigkeiten bringt. Er lernt schnell, aber viel lieber spielt er draußen. Paul wird es auf sich nehmen müssen, ihm vom Tod seines Vaters zu berichten und ihm zu sagen, daß er nun der Herr eines Gutes ist. Es könnte für Paul schwerer werden als für den Jungen selbst. Der Knabe kannte seinen Vater ja kaum. Ich nehme an, daß es über die Erbfolge keinen Streit gibt?«
»Gewiß nicht! Ich will mich nicht einmischen, und Ludel hat sich sein Gut verdient. Es ist ein schöner Besitz, fruchtbares Land, das meiste gut bestellt. Gutes Weideland, Feuchtwiesen und ein Stück Wald. Alles gut gepflegt, wie es scheint, denn heute wird sein Wert höher geschätzt als vor zehn Jahren. Aber ich muß den Verwalter kennenlernen und mich vergewissern, daß er das Wohl des Jungen im Auge hat.«
»John von Longwood«, sagte Cadfael prompt. »Er ist ein guter Mann und ein fähiger Aufseher. Wir kennen ihn gut, wir hatten oft mit ihm zu tun. Man kann mit ihm reden, und er ist ehrlich und aufrichtig. Das Land liegt zwischen dem Besitz der Abtei in Eyton am Severn auf der einen und Aston-under-Wrekin auf der anderen Seite. John hat unserem Förster daher immer erlaubt, den Weg zwischen den beiden Waldstücken zu benützen, um ihm Zeit und Mühe zu ersparen. Wir holen auf diesem Weg auch unser Holz aus dem Wald von Wrekin.
Beides kommt uns sehr entgegen. Ludels Teil vom Eyton-Wald schiebt sich dort ein Stück in den unseren, und es wäre närrisch, sich gegenseitig Steine in den Weg zu legen. In den letzten beiden Jahren hat Ludel alle Entscheidungen John überlassen, so werdet Ihr mit ihm sicher keine Schwierigkeiten haben.«
»Der Abt erklärte mir«, sagte Hugh, indem er die wohlwollende Beschreibung des Nachbarn nickend zur Kenntnis nahm, »daß Ludel ihm bereits vor vier Jahren die Vormundschaft über den Jungen übertrug, falls er selbst sterben sollte, bevor der Knabe das Mannesalter erreichte.
Anscheinend hat er alle Vorkehrungen für die Zukunft getroffen, als hätte er seinen Tod kommen gesehen.« Und etwas bitter fügte er hinzu: »Leider haben die meisten Menschen keinen so klaren Blick, denn sonst müßten sich jetzt nicht in Oxford ein paar Hundert beeilen, um Messen für ihre Seelen zu bestellen.
Der König belagert die Stadt. Sie wird ihm von selbst in die Hände fallen, sobald er die Furt überquert hat. Aber die Burg wird sich noch bis zum Ende des Jahres halten, und die ist eine härtere Nuß. Er muß sie aushungern. Und wenn
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