Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
stieß Bäcker Kortens mit dem Ellbogen in die Seite. »Ich war seit meinem fünften Lebensjahr nicht mehr in Salkau und soll nun mehr über das Dorf wissen als er, der es gerade erst verlassen hat. Das ist gut, haha!« Er zeigte mit dem Finger auf Gottfried und lachte noch immer.
Bäcker Kortens stimmte zu: »Ja, wie soll das denn gehen? Das musst du uns schon genauer erklären, Bruder!«
»Da gibt es gar nicht viel zu erklären. Ich kümmere mich nur lieber um meine eigenen Angelegenheiten als die der anderen. Das ist alles. Dorfgeschwätz ist für Waschweiber, und ich hab weiß Gott Besseres zu tun.«
Dem alten Gösser verschlug es die Sprache, einige Männer tauschten heimlich Blicke aus, und betretenes Schweigen machte sich breit.
Maximilian räusperte sich. »Darf ich vorstellen?«, unterbrach er die Stille. »Hermann Kortens.« Der Bäcker verneigte sich, Gottfried tat es ihm gleich. »Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass es weit und breit kein besseres Brot gibt als das seine.« Maximilian brach ein Stück vom krossen Laib auf dem Tisch neben ihnen ab und reichte es Gottfried. »Auf dem Markt in Adelaide reißen sie es ihm fast aus den Händen, so beliebt ist es.« Gottfried probierte und nickte anerkennend.
»Gut, sehr gut. Es gibt doch kaum einen wichtigeren Mann in der Gemeinde als den Bäcker. Hab ich nicht recht?«
Kortens lief vor Freude rot an. Maximilian, der heilfroh war, dass sich die Stimmung gebessert hatte, schob Gottfried weiter.
»Die Gebrüder Rohloff, Josef und Roland, beide hervorragende Schweinezüchter.« Wieder höfliches Nicken.
»Und Gustav Ritter, der Schmied. Zeig mal deine Oberarme, damit Gottfried weiß, an wen er sich im Notfall halten sollte.« Die Männer lachten, als der Schmied tatsächlich die Ärmel hochkrempelte und sich den Bizeps befühlen ließ.
»Und zum guten Schluss unser treuer Diakon, Ferdinand Mahler. Er begleitet mich in meinem Amt, seit ich denken kann.« Ferdinand verbeugte sich.
»Es ist mir eine Ehre, ich hab schon viel von deiner Gelehrsamkeit gehört.«
»Das ehrt mich. Dann auf gute Zusammenarbeit, Ferdinand.« Gottfried blickte den Männern schief ins Gesicht. »Auf gute Zusammenarbeit mit euch allen.«
Zur gleichen Zeit versuchte Helene ebenfalls, sich mit den neuen Gesichtern vertraut zu machen. Sie war froh, dass Anna ihr dabei zur Seite stand.
»Hildchen Mahler, die Frau des Diakons. Die Gute gehört eigentlich schon zum Inventar der Kirche, nicht wahr, Hildchen?« Die zierliche Frau mit dem grauen Haar reichte Helene die Hand.
»Herzlich willkommen, liebe Helene. Ich hab mich schon so auf dich gefreut.« Dann wandte sie sich an Anna und zog die Augenbrauen zusammen. »Und du nenn mich nicht immer Hildchen. Ich könnte schließlich deine Mutter sein.« Die Frauen lachten auf. Anna nahm Hilde Mahler in den Arm.
»Du weißt doch, wie es gemeint ist, Hildchen.« Hilde hob die Faust, als wäre sie empört, und die Frauen kicherten wieder.
Anna stellte Helene noch eine Reihe von Frauen jeden Alters vor. Hildegard Herder zum Beispiel. Sie war Anfang dreißig und bewirtschaftete mit ihrem Mann Jakob den Hof vor dem Ort. Anna flüsterte ihr zu, dass die beiden sich nicht weiter im Dorf sehen ließen, offensichtlich genügten sie einander, und man sah sie eigentlich nur sonntags zur Messe oder anlässlich besonderer Ereignisse wie heute.
Helene lernte Dorothea kennen, die Frau des Bäckers, und deren hübsche Tochter Rosalinde, die Frauen der Rohloff-Brüder und die Gattin des Schmieds. An all die anderen konnte sich Helene am Ende dieses erlebnisreichen Morgens beim besten Willen nicht mehr erinnern, doch sie war zufrieden. Sie hatte bemerkt, mit welchem Wohlwollen sie hier empfangen wurde, und das nahm ihr die anfängliche Beklommenheit. Der sonnige Morgen hatte jedenfalls gehalten, was er versprochen hatte. Helene war voller Zuversicht. Mit diesen Menschen würde es sich gut zusammenleben lassen. Sie zweifelte nicht daran, dass sie in der neuen Heimat Freundinnen finden würde. Vor allem freute sie sich jedoch auf die Arbeit.
Sie war ungeduldig und brannte auf die neue Herausforderung, doch damit würde sie sich noch gedulden müssen, bis Johannes zurück war. Maximilian hatte sich jedenfalls nicht erweichen lassen, ihr eine erste Übersicht über die Kirchenbücher zu geben. Das hätte er schon vor Jahren seinem Sohn überlassen, sagte er zu seiner Entschuldigung. So blieb Helene nichts anderes übrig, als abzuwarten. In spätestens
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