Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
sich längst wieder offen als Altlutheraner bekennen dürfen, kommen trotzdem noch immer Menschen zu uns nach Südaustralien. Ich weiß, dass jene andere Gründe zum Aufbruch bewegt haben als noch unsere Väter. Nach harten Wintern in Deutschland und dem Verlust der Ernte waren sie verzweifelt. Wie sollten sie nun ihre Kinder ernähren? Da hat man sich an Neu Klemzig erinnert, hat die Briefe von ausgewanderten Verwandten und Freunden hervorgekramt und sie wieder und wieder gelesen. Nein, es hörte sich nicht danach an, als würden den Nachbarn von einst in der neuen Heimat plötzlich gebratene Gänse in den Rachen fliegen.« Ein Lachen ging durch die Reihen. Johannes lächelte und hob die Hand. »Doch es schien ihnen auch nicht schlechtzugehen. Dank harter Arbeit hatten die meisten mehr, als sie zum Leben brauchten. Und so gab man sich daheim einen Ruck und reiste in eine ungewisse Zukunft.«
Johannes machte eine Pause und sah sich um. »Fast alle konnten sich ein neues Leben aufbauen, und so schrieben sie ermutigende Briefe in die Heimat, die den Nachkommenden Unterstützung versprachen. Heute heißen wir Gottfried und Helene als neue Gemeindemitglieder willkommen. Wir sehen Gottes fürsorgliche Hand, die sie zu uns gebracht hat. Sie kamen nicht aus wirtschaftlicher Not zu uns, sondern um unsere spirituelle Gemeinschaft zu bereichern. Sie haben ein großes Herz bewiesen, als sie aus der Heimat aufgebrochen sind, um mit uns zu leben. Viele hier haben erfahren, welche Kraft und Entbehrungen es kostet, die Familie und die Freunde zu verlassen. Doch Du hast uns den Mut zum Träumen gegeben, Herr! Den Mut, ein besseres Leben zu suchen, und dieser Mut gibt uns täglich aufs Neue Kraft. Herr, wir beten darum, dass Du auch heute in unserer Liebe füreinander bei uns bist.«
Die Gemeinde hielt sich bei den Händen. Dann erzählte Johannes von den Orten, die er in den letzten Tagen besucht hatte. Er sprach von der Stärke der Bauern, die mit den Widrigkeiten des Landes und des Wetters zu kämpfen hatten und sich dennoch nicht unterkriegen ließen. Zuletzt sprach er von einer Tragödie, die sich weiter unten am Fluss ereignet hatte, wo ein junger Mann von einem umstürzenden Baum getötet worden war. Er war der einzige Sohn des Bauern und seiner Frau gewesen. Johannes schwieg eine Weile, um sich zu sammeln, und die Gemeinde, selbst die Kinder, wurde still.
Helene lief ein Schauder über den Rücken. So und nicht anders sollte Kirche, sollte Gemeinschaft sein. Fürsorge und Zuwendung – und Liebe.
Nachdem Johannes die Messe mit einem Gebet beendet hatte, mischte sich die Gemeinde wieder zum ungezwungenen Gespräch. Helene war noch unter dem Eindruck des gerade Erlebten und stand am Rande. Plötzlich erkannte sie aus dem Augenwinkel, wie Johannes auf sie zukam. Was sollte sie nur sagen? Johannes enthob sie weiterer Überlegungen, als er schlicht ihre Hände in die seinen nahm und sich vorstellte.
»Es tut mir sehr leid, dass ich eure Ankunft verpasst habe. Umso glücklicher bin ich, dass ich Sie und Bruder Gottfried heute begrüßen darf.«
Sie knickste, überlegte noch immer, was sie sagen sollte. Schließlich hob sie verlegen den Blick. Er traf auf ein offenes, lächelndes Gesicht. Dunkle Locken umrahmten ebenmäßige Züge, seine Bartstoppeln ließen ihn ein wenig älter aussehen, als er eigentlich war. Johannes sprach noch von anderen Dingen, die mit ihrer Ankunft zu tun hatten, doch hinterher konnte sich Helene an nicht viel mehr erinnern als den Klang seiner Stimme und sein Lächeln.
Cairns, Anfang Februar 2010
D anke für den Anruf, Mitch – und auch fürs Abholen. Ich bin gespannt, was du da ausgegraben hast.« Mitch öffnete schwungvoll die Schiebetür des Toyotas und warf Nataschas Rucksack auf die Rückbank. Natascha kletterte auf den Beifahrersitz, Mitch stieg auf der anderen Seite ein. Er grüßte den Parkwächter mit einem Kopfnicken und fuhr los.
» No worries, mate. Ich dachte mir, du würdest das gerne selbst sehen wollen. Und dann bist du ja immer noch nicht bei den Orta gewesen. Zwei gute Gründe also, um deinen Tauchgang zur Yongala zu verschieben. Das alte Wrack läuft schließlich nicht davon.« Das Didgeridoo brummte in Mitchs Hosentasche, der daraufhin seinen Hintern vom Sitz anhob, um nach dem Handy zu greifen.
»Entschuldige.« Sein Blick glitt vom Display zu Natascha. Dann schob er seinen Daumen übers Display, um das Gespräch anzunehmen.
»Hallo, Alan!«, sagte er betont
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