Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Titel: Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
Vom Netzwerk:
selbst nach. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass sie so berechnend sein könnte. Aber genau das war sie gewesen. Für einen guten Zweck, und es fühlte sich sehr, sehr gut an!

    Helene war ihren Eltern dankbar; sie hatten noch in der Heimat dafür gesorgt, dass die Tochter rechtzeitig vor ihrem Aufbruch nach Australien Englisch lernte. Um dies zu ermöglichen, hatten sie für sechs Monate eigens einen Hauslehrer aus Hamburg eingestellt, für dessen Kosten sie ganz allein aufgekommen waren. Helene war sehr überrascht gewesen, als die Eltern ihr dieses Geschenk machten. Ihrer Mutter hätte sie diese Selbstlosigkeit jederzeit zugetraut, aber dem Vater? Außerdem hatte Helene auf der sechswöchigen Schiffsreise vier Stunden täglich Lektionen in Englisch von der Schiffslehrerin Mrs. Hamilton erhalten, die sie für ihren Fleiß mehrfach lobte. Insgesamt fühlte sich Helene für ihre Pflichten im Missionsdorf daher ganz gut gerüstet. Jeder neue Tag auf Zionshill ließ sie zudem etwas selbstsicherer werden, und so freute sie sich auch heute auf ihren Arbeitstag, hoffte insgeheim sogar, dass sie eines Tages ausschließlich hier wirken dürfte. Es gefiel ihr nämlich außerordentlich, Lehrerin zu sein, besonders jetzt, da die Kinder Zutrauen zu ihr gefasst hatten und sie einen ersten Machtkampf mit Tannhaus gewonnen hatte. Falls sie tatsächlich ihre Pflichten in Neu Klemzig für die Schule in Zionshill aufgab, bedeutete dies allerdings, dass sie inmitten der Eingeborenen leben müsste. Sie selbst schreckte der Gedanke nicht, doch wenn ihr Vater davon erführe, wäre er sicherlich nicht begeistert. Helene seufzte innerlich, als sie wieder einmal an die Eltern dachte.
    Sie glaubte allerdings auch nicht, dass Gottfried ihr diesen Wunsch erfüllen würde. Sicherlich hielt er ein solches Ansinnen für eine junge Dame ihres Alters für gänzlich unschicklich. Eine weiße Frau unter halbnackten Wilden! In Gedanken konnte Helene förmlich hören, wie Gottfried ihren seiner Meinung nach vermessenen Wunsch in der Luft zerriss. Nein, völlig ausgeschlossen, dass sich Gottfried in dieser Hinsicht erweichen ließe. Vielleicht war es auch besser so. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, wie farblos ihr Leben wäre, wenn sie die Neu Klemziger nur noch zur Messe am Sonntag sehen könnte. Selbst Johannes war ja so sehr mit seinen Schäfchen in Neu Klemzig ausgelastet, dass er kaum mehr nach Zionshill kommen konnte. Der junge Pastor hatte vollkommen auf den erfahrenen Gottfried gesetzt, der ihn bei den zahlreichen Problemen des Dorfes entlasten sollte. Helene betete, dass dies kein Fehler gewesen war.
    Ja, Gottfried war gewiss ein angesehener Kirchenlehrer, doch sie konnte sehen, wie sehr ihn seine neue Rolle überforderte. Öfters schon war sie nicht umhingekommen zu bemerken, dass es zwischen ihm und den Aborigines große Verständigungsprobleme gab. Sie hatte versucht, ihm helfend unter die Arme zu greifen, doch stets hatte er entrüstet abgelehnt. Was sie sich erlaube, er wüsste schon, was er täte. Es tat Helene in der Seele weh, tatenlos danebenzustehen, wenn er wieder einmal Anweisungen auf Deutsch gab, die von den Eingeborenen natürlich nicht verstanden wurden. Gottfried setzte Hände und Füße ein, um sich verständlich zu machen, und wenn das immer noch nichts half, wurde er schließlich wütend und fing an zu brüllen. Auch Helene konnte sich noch lange nicht mit allen Schwarzen im Dorf unterhalten, nur wenige sprachen Englisch, doch Gottfried sprach so gut wie gar kein Englisch und schon gleich gar nicht die Sprache der Aborigines. Als umso wichtiger empfand es Helene, den Kindern die neue Sprache beizubringen. Da Englisch auch nicht ihre Muttersprache war, konnte sie sich gut in die Kinder einfühlen, die sich mühsam Wort um Wort die fremden Laute und deren Bedeutung aneignen mussten. Sie war wild entschlossen, alles daranzusetzen, um den Kindern ein besseres Verhältnis mit den Siedlern zu ermöglichen. Kinder waren die Zukunft dieses Landes. Ob sie nun weiß oder schwarz waren, das war Gott völlig egal, aber miteinander reden können, das müssten sie schon, wenn sie einander verstehen wollten.
    Helene dachte jetzt wieder an die eigenen Eltern. Leider hielt sie es mittlerweile für unwahrscheinlich, dass diese sich noch für ein Leben in Australien entscheiden würden. Dabei hatten sie es bei ihrer Abreise aus Deutschland versprochen. In ihrem letzten Brief hatten sie auf Helenes begeisterte Beschreibung

Weitere Kostenlose Bücher