Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
zu arbeiten und wandten ihm die Gesichter zu. Eine junge Frau reichte ihm ein Glas Wasser, das Johannes in einem Zug austrank. Wahrscheinlich war er vom inneren Rand der Schneise bis hierher gerannt, überlegte Helene. Die Männer versuchten, das Feuer dort zurückzudrängen, indem sie mit behelfsmäßigen Tanks die Schneise von der Seite her bewässerten, von der sich das Feuer näherte.
Die Küchenfrauen versuchten, in Johannes’ Gesicht irgendeine Botschaft zu lesen, noch bevor er sie aussprechen konnte. Helene hielt es nicht länger aus, zog ihn fordernd am Ärmel.
»Was ist mit dem Feuer?«
Johannes schluckte hart und sah eine nach der anderen an, während er Annas Hand nahm und sie drückte.
»Es kommt aus der Wüste, der Wind treibt es auf uns zu.« Helene zog die Stirn in Falten.
»Aber die Schneise wird es doch aufhalten, oder etwa nicht?«, fragte sie besorgt. Alle Blicke hingen an Johannes’ Lippen. Er verzog keine Miene, nickte langsam.
»Ja, das hoffen wir, doch der Wind ist stark, da fliegen die Funken weit. Wir müssen auf das Schlimmste gefasst sein. Wenn es passiert, wenn die Flammen es über die Schneise schaffen sollten, hört ihr wieder die Glocke läuten.« Sein Blick suchte Helene. Dann hielt er sie bei den Schultern, schaute sie durchdringend an. »Sie wissen, was dann zu tun ist. Ich verlasse mich auf Sie, Helene. Viel Glück uns allen, Gott sei mit uns.« Er küsste Anna zum Abschied, und noch bevor sie etwas erwidern konnte, hatte er sich zum Gehen gewandt, hielt dann aber kurz inne: »Wenn das Feuer kommt, wenn ihr die Glocke hört, dann müsst ihr tun, was Helene sagt. Habt ihr gehört?«
Die Frauen blickten einander an und nickten.
»Oh, Johannes, wohin gehst du, was ist mit Michael? Geh nicht, bitte. Ich hab solche Angst!« Anna hatte wieder die Arme um Johannes’ Hals geworfen. Der befreite sich sachte, doch bestimmt aus ihrer Umarmung und lief auf die Hauptstraße hinaus. Abermals blieb er stehen und rief Anna zu:
»Habt Vertrauen, hört auf Helene. Ich sehe nach Elisabeth und den Kindern und komme zurück, wenn alles vorbei ist. Seid stark!«
»Johannes, warte! Ich komme mit«, rief Anna ihrem Mann nach, doch er war schon hinter dem nächsten Haus verschwunden. Helene hielt die schluchzende Anna am Arm zurück, wollte sie ins Haus zurückziehen. Hier draußen sah es gespenstisch aus. Qualmschwaden umwaberten die Häuser schon so dicht, dass man kaum mehr die Hand vor Augen sehen konnte. Anna hustete. Helene zog sie in die Küche und schloss die Tür.
»Macht die Fenster zu, schnell.«
Die Frauen gehorchten, keine sprach jetzt mehr.
»Jetzt die Tischdecken, holt die Tischdecken, und tränkt sie im Spülstein mit kaltem Wasser. Wenn ihr die Glocke hört, nimmt sich jede eine der Decken, legt sich mit dem Gesicht auf den Boden und deckt sich damit zu. Helft einander dabei.«
Die Frauen taten wie befohlen, sahen einander immer wieder ängstlich an. Als sie mit den Vorbereitungen fertig waren, standen sie unsicher im Raum und lauschten auf jedes Geräusch, das von draußen hereindrang. Allein das Prasseln des herannahenden Feuers war zu hören.
Plötzlich klatschte Luise in die Hände.
»So, meine Damen. Noch ist ja nichts passiert, also Schluss mit dem Müßiggang. Jetzt kochen wir endlich unsere Suppe, dazu sind wir schließlich hier.« Helene lächelte ihr dankbar zu und machte sich selbst gleich ans Zwiebelschälen. Die Frauen lösten sich aus ihrer Erstarrung und nahmen die Arbeit wieder auf. Neben einer reichhaltigen Suppe mit viel Speck und Rindfleisch sollte es sättigendes Brot geben. Doch da es an Zeit mangelte, hatten sich die deutschen Siedler von den australischen Viehtreibern das Damperbrot abgeguckt. Es handelte sich um einen ungesäuerten Laib, der nur aus Mehl, Wasser und Salz bestand und ursprünglich im Campfeuer gebacken wurde. Es dauerte nicht lange, und der beißende Brandgeruch wurde allmählich von vertrauten Küchendüften überlagert. Der Duft frisch gebackenen Brotes stieg auf, und obwohl es hinter den Fenstern nicht heller wurde, schienen sich die Frauen langsam zu beruhigen. Sie bewegten sich nun beinahe so in der Küche, als gelte ihre einzige Sorge dem Abendessen, das sie zu kochen hätten.
Als sie die Glocke zum zweiten Mal hörten, wirkten die Frauen erstaunlich gefasst. So als ob sie es zuvor geprobt hätten, ergriff jede von ihnen ihre nasse Tischdecke und legte sich mit dem Gesicht flach auf den festgetretenen Erdboden, genau wie
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