Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
verdanken war. Während die Männer draußen ihr Bestes gaben, kümmerten sich die Frauen um die Farmen; ein großer Teil von ihnen war dafür in Arbeitseinheiten organisiert. Helene und Johannes hatten sich das überlegt: Eine Gruppe Frauen kümmerte sich ausschließlich um die Kinder, während ihre Mütter anderes zu tun hatten; eine andere versorgte das Vieh oder die Felder. Und eine dritte Gruppe kochte in der Großküche des Gemeindehauses. Da Helene sich einigermaßen sicher war, dass die meisten Fäden in der Küche zusammenlaufen würden – so war es ja schließlich auch in jedem privaten Haushalt –, hatte sie sich selbst zur Arbeit dort eingetragen.
Als Helene die Glocke hörte, brauchte sie ein paar Sekunden, um sich zu sammeln. Dann klappte sie das Rechnungsbuch zu, klemmte es sich unter den Arm, weil sie es nicht zurücklassen wollte, und rannte in Richtung Gemeindeküche, die sich in einem Steinhaus in der Mitte der Hauptstraße befand. Dort liefen bereits die Vorbereitungen an, und schon bald würde hier unter Hochdruck gekocht werden. Ein ausgewachsenes Buschfeuer konnte tagelang wüten, und darauf wollte man vorbereitet sein. Eine innere Unruhe überkam Helene. Wie sollten sie in der Küche nur die Ruhe bewahren, wenn zur gleichen Zeit die Männer den Kampf mit den Elementen verloren, am Ende sogar verbrannten, während die Frauen in der Suppe rührten?
Sie sah den Frauen die Anspannung an. In einer Notlage wie dieser regelten sie sonst die Angelegenheiten auf ihrem eigenen Hof. Jetzt kümmerten sich Nachbarinnen um ihr Vieh und ihre Kinder, während sie hier in der Küche arbeiteten. Doch nach dem Läuten der Glocke würden die Männer so lange gegen die Flammen kämpfen, wie sie sich auf den Beinen halten konnten, und wer von ihnen ins Dorf zurückkehrte, würde erschöpft und ausgehungert sein. Für sie musste gesorgt werden. Das überzeugte selbst diejenigen Frauen hier, die insgeheim vielleicht daran gedacht hatten, sich aus dem Staub zu machen, um nach ihrem Hof zu sehen.
Helene und die Frauen konnten das Buschfeuer mittlerweile schon hören. Anna lief wie kopflos von einer Ecke zur anderen, begann erst die Kartoffeln zu schälen, um dann mittendrin aufzuhören und die Tischplatten abzuwischen.
»Was ist los mit dir?«, fragte Luise, die gerade den großen Kessel für den Eintopf aufgesetzt hatte. Sie war dabei, das Gemüse zu putzen. Helene sah, dass es auch Luise nicht leichtfiel, der so alltäglichen Beschäftigung nachzugehen, während das Feuer als unheimliche Geräuschkulisse im Hintergrund röhrte. Auch sie selbst hatte Mühe, sich auf die Küchenarbeit zu konzentrieren. Doch Anna war kurz davor, die Nerven zu verlieren. Als diese schließlich auch noch anfing, das Brot hektisch in viel zu dicke Scheiben zu zersäbeln, wischte sich Luise die Hände an der Schürze ab und ging zu ihr.
»Anna, ich habe dich etwas gefragt. Was ist mit dir?« Sie hielt Anna nun an den Oberarmen fest, schüttelte sie leicht. In den geweiteten Augen der Jüngeren flackerte Panik auf.
»Nichts, es ist nichts. Ich kann nur nicht … Klein Michael, er war doch noch nie von mir getrennt, das Feuer, ich …«
»Schon gut«, beruhigte Luise sie, »dein Sohn ist in Sicherheit. Er ist bei Elisabeth und den anderen Kindern. Mach dir also keine Gedanken.« Sie hatte Anna in die Arme genommen und wiegte sie sachte. Die schien sich tatsächlich etwas zu beruhigen, ihr zarter Körper schmiegte sich eng an Luise, die sie auf den Scheitel küsste. »Du musst dir klarmachen, dass du nichts Besseres tun kannst, als hier mit uns in der Küche zu arbeiten. Dein Sohn ist derweil sicher im Schlafhaus aufgehoben.« Anna sah zu Luise auf. Ein zittriges Lächeln auf dem Gesicht, wischte sie sich die aufsteigenden Tränen aus den Augen.
»Du hast recht. Verzeih mir!«
Luise lächelte zurück und reichte ihr das Schälmesser.
»Dann mal ran an die Kartoffeln. Und nicht, dass du mir vor Aufregung Blumen aus den Knollen schnitzt!«
Anna machte sich an die Arbeit. Plötzlich stand Johannes in der Tür, das Gesicht vor Anstrengung gerötet. Helene sprang sofort auf und lief zu ihm hin.
»Was ist? Gibt es Neuigkeiten?«
Johannes keuchte. Es dauerte eine Weile, ehe er sprechen konnte.
»Schnell, ein Glas Wasser!«, befahl Helene.
Jetzt war auch Anna bei ihrem Mann und warf sich in seine Arme: »Johannes. Oh, mein Gott. Was ist passiert?«
»Das Feuer …«, brachte er hervor und keuchte wieder. Die Frauen hörten auf
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