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Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Titel: Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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Hafen von Brisbane, 21. März 1911, ein Uhr mittags
    A us dem Weg, Peter! Mach schon Junge, oder willst du, dass dir der Gaul einen Tritt versetzt?«
    Peter hörte die warnenden Worte des Vaters kaum. Mit seinen sieben Jahren wusste er erstaunlich viel über Tiere. Besonders liebte er Pferde, und dieses hier war ein Prachtexemplar. Peter stand am oberen Ende der Laderampe; von dort hatte er die beste Sicht auf Moonshine. Das Pferd war nervös, tänzelte unsicher auf dem schmalen Steg. Sein braunes Fell glänzte. Peter konnte sich an dem Tier nicht sattsehen. Ein echtes Rennpferd, ein berühmter Champion obendrein! Und das Tollste war, dass Moonshine offensichtlich genau wie er selbst und seine Familie nach Cairns reiste, wo sein neuer Besitzer angeblich schon auf ihn wartete.
    Rennpferdbesitzer! Das musste der beste Beruf auf der ganzen weiten Welt sein! Wenn er erst einmal groß wäre, würde er auf seiner eigenen Farm Pferde züchten, Rennpferde! Gewinner, wie Moonshine, und mit dem besten seiner Hengste würde er durch die Welt reisen, denn den behielte er natürlich für sich. Melbourne Cup! Einmal im Leben nur zum Melbourne Cup und dort siegen! Während er noch von zukünftigen Erfolgen träumte, trat Moonshine plötzlich ins Leere. Der Hengst geriet in Panik. Peter starrte wie gebannt auf die Naturgewalt, die sich in dem prächtigen Tier entfesseln wollte. Die Helfer hatten alle Hände voll zu tun, um das Pferd im Zaum zu halten.
    »Peter, aus dem Weg!«, schrie sein Vater jetzt. Plötzlich stellte sich Moonshine auf die Hinterbeine, so nah an seinem Gesicht, dass Peter die Nägel in den Hufeisen erkennen konnte. Da packte ihn die Hand des Vaters und schleuderte ihn mit Wucht aufs Deck.
    »Peter, der Gaul hätte dich umbringen können, weißt du das denn nicht?«
    Peter schaute den Vater mit großen Augen an. Noch nie hatte er ihn so wütend gesehen.

    Katharina und die Mädchen waren unter Deck, wo sie zum wiederholten Male die Kabinen und Räume der zweiten Klasse durchsuchten. Helene war noch immer nicht an Bord, und Katharina war außer sich. Was um alles in der Welt dachte sich ihre Schwester dabei, erst in allerletzter Minute hier aufzukreuzen? Um Punkt zwei würde die Yongala ablegen – mit oder ohne Helene. Das hatte die First Stewardess ihr unmissverständlich klargemacht. Jetzt war es kurz vor zwei.
    Oh, Helene! Hatte die Schwester etwa vergessen, wie besorgt Katharina um sie war? Wieso war sie nicht hier? Trug sie ihr etwa noch den Streit nach, den sie vor ein paar Tagen im Bed & Breakfast ausgetragen hatten? Aber irgendjemand musste ihr doch mal sagen, wie unvernünftig sie sich mitunter verhielt. Allein die Tatsache, dass sie Nellie mit den Orta-Kindern von Moondo hatte spielen lassen. Sie hatte es Helene schon immer gesagt: Irgendwann passiert da mal was, du wirst schon sehen, aber Helene hatte sie nur ausgelacht. Manchmal war Helene eben zu gutgläubig. Sie glaubte, die Aborigines zu kennen, und vertraute ihnen. Dabei vergaß sie, dass die Schwarzen anders waren als die Europäer. Nein, Katharina hatte von Anfang an ihre Bedenken geäußert, weil Nellie so viel Zeit bei den Einheimischen verbrachte. Es mochte ja sein, dass die Aborigines sehr kinderlieb waren, doch wo waren sie, als die Polizei die Kinder mitnahm? Auch wenn Helene während ihrer Auseinandersetzung darauf bestanden hatte, dass keiner die Orta für das Verschwinden Nellies verantwortlich machen konnte – es blieb nun mal eine Tatsache, dass Nellie noch bei ihrer Mutter wäre, hätte Helene das Kind nicht den Orta anvertraut. Im weiteren Verlauf des Gesprächs hatte Helene jeden Rat, den sie, Katharina, ihr dringend nahelegen wollte, weit von sich gewiesen. Vielleicht hätte sie besser den Mund gehalten.
    Katharina seufzte und ließ sich in einen Sessel fallen. Sosehr sie es sich manchmal auch wünschte, sie konnte nicht aus ihrer Haut. Noch immer war sie die große Schwester, und jetzt, da sich die Geschwister wiedergefunden hatten und beide ohne Kontakt zu den Eltern waren, nahm sie diese Rolle unbewusst vielleicht sogar noch stärker wahr. Als wären sie nie erwachsen geworden!
    Katharinas Gedanken schweiften zum Hof ihrer Kindheit, wo sie den Vater, die Mutter, Helene und die Knechte um den groben Holztisch in der Küche beim Abendmahl sitzen sah. Jedes Mal hatten sie hungrig und müde von der Arbeit auf dem Feld vor den verlockend dampfenden Schüsseln ausharren müssen, während Vater allabendlich aus der Bibel vorlas und

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