Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
stammten ebenfalls aus Salkau. Die beiden sind damals mit ihren drei Kindern mit der Yongala untergegangen. Und jetzt halten Sie sich fest! Katharina und Helene waren Schwestern.« Natascha hatte vor Erstaunen die Lippen geöffnet und den Kopf schief gelegt.
»Wie bitte, was sagen Sie da?« Natascha brauchte einen Moment, um die Neuigkeit zu verarbeiten. »Wie haben Sie das denn herausgefunden?«, fragte sie und warf Debra einen kritischen Blick zu, so als zweifelte sie am Wahrheitsgehalt der Nachricht.
Debra hielt ihre Handflächen dem Himmel zugewandt, als könne nur er diese Frage beantworten.
»Das ist nicht allein mein Verdienst. Ich sagte Ihnen ja bereits, dass die Mitglieder unserer Historical Society viel zu viel Zeit haben.« Sie schob einen Zettel über den Tisch. »Hier, ich hab die entsprechenden Fundstellen notiert.«
Natascha nahm das Blatt an sich und warf einen Blick darauf. Sie versank in ihre Gedanken. So war es also gewesen. Natürlich! Helene hatte nach dem Unglück die Farm der Schwester übernommen. Jetzt fügten sich die Puzzleteilchen zu einem Ganzen. Wieso war sie da nicht selbst draufgekommen? Sie schüttelte den Kopf. Über sich selbst, aber mehr noch über die plötzliche Erkenntnis.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?« Debra tippte auf den Notizzettel.
»Das muss für Helen ein fürchterlicher Schock gewesen sein. Ihre ganze Familie auf einen Schlag ausgelöscht.«
Debra nickte und ergänzte: »Und wenn man bedenkt, dass sie selbst eigentlich auch an Bord hätte sein sollen …«
Natascha wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Mit einem Mal fühlte sie sich ihrer Urgroßmutter unglaublich nahe. Helene stand von einem Moment auf den anderen ganz alleine da – ohne Familie, ohne Verwandte. Ein Gefühl, das Natascha kannte. Sie legte ihre Hand auf Debras Arm und drückte ihn.
»Plötzlich ergibt alles einen Sinn. Dass Helen sich so um den Schutz des Wracks gesorgt hat, dass sie ins Haus der Schwester gezogen ist, dass sie alles darangesetzt hat, Meena Creek erfolgreich weiterzuführen.« Natascha legte gedankenverloren die Hand vor den Mund und starrte auf den Pier hinaus. Erst das Tuten eines Horns riss sie aus ihren traurigen Gedanken. Sie wandte sich wieder Debra zu, lächelte unsicher und drückte ihr nochmals den Arm.
»Ich danke Ihnen, Sie haben mir sehr weitergeholfen.« Sie erinnerte sich an die Briefe. »Bevor ich es vergesse. Hier sind die Briefe, die mir Jamie Edwards gegeben hat.« Sie reichte Debra das schmale Bündel über den Tisch.
Der Fisch wurde serviert, doch Debra ließ sich nicht vom Lesen abhalten und schob sich nur hin und wieder eine Gabel voll in den Mund, ohne den Blick von den Briefen abzuwenden. Mit der freien Hand schob sie einen gelesenen Briefbogen unter den anderen, bis sie endlich fertig war. Natascha hatte es nicht gewagt, sie zu unterbrechen, und wartete auf Debras Urteil. Die tupfte sich fahrig mit der Serviette über den Mund und legte sie neben dem Teller ab, auf dem sich zerstochertes Fischfilet zwischen zerdrücktem Gemüse breitmachte. Endlich schaute sie auf.
»Tja, das ist wirklich eine tragische Geschichte. Dass diese Helen auch noch die Mutter von Maria war, macht mich richtig traurig. Dabei habe ich mit der Geschichte noch nicht einmal persönlich etwas zu tun, im Gegensatz zu Ihnen.« Sie sah Natascha eindringlich an. Die wandte sich für einen Augenblick ab und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
»Ich weiß nicht genau, was ich empfinde, Debra. Ich habe großes Mitleid mit dieser Frau, aber ich frage mich auch die ganze Zeit, weshalb sie alles für sich behalten hat. Warum kämpfte sie nicht um ihr Kind?« Sie trank einen Schluck Wein. »Vielleicht bin ich zu kritisch. Pastor Edwards hat mir diesbezüglich schon ins Gewissen geredet. Er sagte, ich dürfe Helen nicht mit unseren Maßstäben messen. Damit hat er sicherlich nicht unrecht. Andererseits glaube ich nicht, dass es sich damals anders angefühlt hat als heute, sein Kind zu verlieren. Ich habe zwar selbst keine Kinder, aber trotzdem kann ich mir einfach nicht vorstellen, was Helene dazu bewogen haben mag, ihr einziges Kind aufzugeben. Ich glaube, dass die Lösung des Rätsels beim unbekannten Vater liegt.« Debra kräuselte die Nase und trommelte mit den Fingern nachdenklich auf der Tischplatte.
»Hm, wahrscheinlich haben Sie recht. Das Dumme ist nur, dass Helen beziehungsweise Helene in diesem Punkt so verschwiegen war, dass es Ihnen wahrscheinlich nicht gelingen wird,
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