Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
hervorquoll und sein Saum sich locker um Kladde und Schmuckkästchen ergoss. Auf dem Deckel war ein Messingschild angebracht, das jemand gereinigt haben musste, denn es glänzte wie neu. H. Junker, las Natascha und starrte Debra an. Die beiden beugten sich nun über die Schautafel vor dem Glaskasten und lasen über den Fund dieser Reisetruhe, die nach dem Untergang der Yongala auf Palm Island angespült worden war. Sie habe einer Helene Junker gehört, einem Opfer des Unglücks.
»Was wollen Sie jetzt tun?«
»Ich weiß es noch nicht.« Natascha und Debra waren auf dem Rückweg zum Hotel und schlenderten die Esplanade entlang.
»Ich denke, dass Sie ein Anrecht auf die Truhe und deren Inhalt haben. Soweit wir wissen, sind Sie die einzige Nachfahrin von Helene Junker.« Zum Schutz vor dem grellen Sonnenlicht zog Natascha die Baseballkappe ein wenig tiefer in die Stirn.
»Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich diese Dinge überhaupt haben will. Irgendwie gehören sie hierhin, zu Helene. Höchstens der Ohrring, der würde mir gefallen. Was meinen Sie? Vielleicht könnte ich ihn gegen das Amulett eintauschen?«
»Das halte ich für eine ganz hervorragende Idee. Was war noch mal gleich auf der Goldstrebe eingraviert?«
»Liebe ist stark wie der Tod.«
Debra wiederholte die Worte mit Bedacht.
»Irgendwo habe ich das schon einmal gehört. Überhaupt dieser Ohrring. Kommt mir fast so vor, als hätte ich den schon mal gesehen.« Sie schüttelte den Kopf. »Debra, Debra«, sagte sie laut und dennoch wie zu sich selbst, »du wirst langsam alt.«
»Könnte die Gravur Teil eines Bibelverses sein?«
»Das wird es sein. Daher kamen mir die Worte gleich so bekannt vor, und das würde ja auch zu Helene passen, oder? Wie bedauerlich, dass der andere Ohrring für immer irgendwo auf dem Grund des Ozeans liegt.«
»Ein Ohrring ist besser als keiner.«
»Da haben Sie auch wieder recht. Ich will Ihnen gerne bei der Organisation der Tauschaktion behilflich sein. Bis morgen werden Sie es ja kaum schaffen, alles zu regeln. Das heißt, natürlich nur, wenn Sie mir das Amulett so lange anvertrauen wollen.«
»Sie sind ein Schatz! Wie soll ich das alles nur je wieder gutmachen?«
Am Abend saß Natascha mit Debra an der Hotelbar, als ihr Handy klingelte. Sie entschuldigte sich und nahm das Gespräch an.
»Na, Gott sei Dank hab ich dich noch erwischt.« Es war Mitch. »Alan sagt, du fliegst morgen?«
Natascha bejahte und wünschte, Alan hätte an Mitchs Stelle angerufen.
»Kann ich dich vorher sehen? Wir haben uns gar nicht richtig verabschiedet.«
»Ich hätte dich schon noch angerufen.« Sie schaute kurz zu Debra, die ihr mit einer Geste anzeigte, dass Natascha auf sie keine Rücksicht nehmen sollte. »Magst du zum Tropical kommen?«
»Zu dir ins Hotel? Aber immer! Bis gleich.«
Natascha legte auf und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Debra stand auf und griff nach ihrer Handtasche.
»Sie wollen doch nicht schon schlafen gehen, oder?«
Debra fasste Natascha bei den Schultern.
»Doch, meine Liebe. Es war ein anstrengender Tag für mich alte Frau.« Natascha rutschte von ihrem Barhocker und umarmte Debra.
»Das heißt wohl, dass wir uns verabschieden müssen. Ich muss ja schon in aller Herrgottsfrühe los. Mein Gott, wie ich Abschiede hasse.«
»Bestimmt nicht so sehr wie ich.« Debra klopfte ihr kumpelhaft auf die Schulter. »Also dann. Wir bleiben ja in Kontakt wegen Ohrring und Amulett.« Dabei klopfte sie auf ihre Tasche.
»Ja, und nochmals vielen Dank für alles.« Debra küsste sie rasch auf die Wange und verschwand, noch bevor Natascha etwas erwidern konnte.
Mitch wirkte aufgekratzt. Er winkte ihr schon von weitem mit erhobenen Armen zu und hielt dabei etwas Zusammengerolltes in der Hand, was ihn noch größer erscheinen ließ. Einige Leute wandten sich ihm zu, doch entweder nahm er die gesteigerte Aufmerksamkeit, die man ihm schenkte, nicht wahr, oder es war ihm egal. Zum ersten Mal sah sie Mitch in langen Hosen. Er trug Jeans und ein kurzärmeliges Hemd. Das widerspenstige Haar hatte er mit Gel gebändigt.
»Du hast dich aber nicht für mich so herausgeputzt, oder?«, fragte Natascha, als sie ihn umarmte. Sie sah an sich herunter. Shorts und T-Shirt.
»Wie? Hast du unser Gala-Dinner vergessen?« Sie schaute ihn mit vor Schreck geweiteten Augen an, bis er sie in die Seite zwickte. »War nur ’n Scherz! Ich hab nachher ein Essen mit dem Board of Tourism, da machen wir lokale Veranstalter uns
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