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Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Titel: Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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schweigend im tiefen Gras thronte. Selbst die Kaubewegungen hatte er eingestellt. Doch als nach einer Weile immer noch nichts weiter geschah, erhob sich Helene langsam. Wenn er jetzt nicht reden wollte, würde er es später erst recht nicht tun. Doch Warrun hob plötzlich die Hand.
    »Setzen. Warrun sprechen.«
    Helene gehorchte und wartete gespannt, was der alte Mann zu sagen hatte. Langsam ließ Warrun den Arm sinken. Helene hörte den Wind im hohen Gras spielen und blinzelte in die Sonne, als sie Warrun erwartungsvoll anblickte.
    »Amarina nicht mehr bei uns. Zu traurig über Tod von Mann. Wenn Mann tot, Bruder von Mann nimmt Frau. Das ist Gesetz. Aber Amarina nicht will Bruder Parri von tote Mann. Großer Streit im Stamm, dann Amarina und Cardinia weggegangen.«
    Jetzt war es an Helene, die Stirn zu runzeln. So angestrengt sie Warrun auch gelauscht hatte, so wenig verstand sie ihn am Ende.
    »Heißt das, sie musste gehen, weil sie ihren Schwager nicht heiraten wollte?«
    Warrun schwieg wieder.
    »Wo sind die beiden denn jetzt? Darf ich sie besuchen?«
    »Amarina zurück zu Moiety. Nicht weit von hier. Über Fluss, hinter großem Stein.« Er wies ihr mit dem Kinn die Richtung. Sie hatte keine Ahnung, was Moiety bedeutete, aber das würde sie sich von Amarina erklären lassen, wenn sie diese erst einmal gefunden hatte. Sie öffnete wieder die Hand, und das Amulett blinkte zwischen den flackernden Schatten der Äste hell auf.
    »Hat das Amulett eine bestimmte Bedeutung, oder ist es einfach ein Schmuckstück, das ich tragen darf?« Noch bevor sie zu Ende gesprochen hatte, war Warrun auf den Füßen und hielt sich mit beiden Händen die Augen zu. Er schien aufgebracht.
    »Das Min-Min-Licht. Amarina dir Geist geschickt. Wird dir folgen und im Traum Gesang schicken. Du nicht vergessen dürfen.«
    Helene verstand noch weniger als vorhin, aber jetzt bekam sie es außerdem noch mit der Angst zu tun.
    »Das Min-Min-Licht, ein Geist?« Verwirrt schaute sie aufs Amulett, das doch nur blinkte, wenn ein Sonnenstrahl es traf.
    »Das ist die Sonne, sonst nichts.«
    Aber Warrun stand noch immer mit geschlossenen Augen vor ihr und war ein paar Schritte zurückgewichen.
    »Sonne. Sonne von Amarina. Du verstehen? Sonne von Amarina ist Mandu. Ist Geist von tote Mann.«
    Helene starrte ihn ungläubig an. Das war doch nicht möglich, oder doch? Nein, das war nur der dumme Aberglaube der Wilden, den sie schon von ihren Schülern her kannte. Sie sollte zusehen, dass sie hier wegkam. Helene steckte das Amulett wieder ein, stand auf, klopfte sich das Gras vom Kleid und ging einen Schritt auf Warrun zu, der endlich die Hände vom Gesicht nahm und seine Augen öffnete.
    »Danke, Warrun. Du hast mir sehr geholfen. Ich wünsche dir und deinen Leuten eine gute Reise ins nächste Lager.« Sie streckte ihm zum Abschied die Hand hin, doch als er keine Anstalten machte, sie zu ergreifen, ließ sie den Arm sinken und wandte sich zum Gehen. Hinter sich hörte sie Warruns Schritte im Gras rascheln.
    »Amarina ist wie Schwester. Immer bei dir. Immer. Du nicht vergessen Gesang, okay?«
    Sie hörte Warruns seltsame Worte, drehte sich aber nicht mehr um.

    Als die Wajtas weitergezogen waren und es niemanden mehr auf der Missionsstation Zionshill gab, den sie hätte unterrichten können, kehrte Helene nach Neu Klemzig zurück. Bei der Pastorenfamilie Peters, wo sie schon vor ihrem Einsatz als Missionslehrerin auf Zionshill gelebt hatte, verfiel ihr Alltag wieder in den altbekannten Trott. Meist war sie von frühmorgens bis zum Abend beschäftigt, hauptsächlich außer Haus, wo sie sich nun wieder mehr um die Kirchenbücher und die Gemeindearbeit kümmern konnte. Nach dem Abendessen zog sie sich für gewöhnlich zeitig vom Familienleben zurück, um in ihrer Stube die Bibel zu studieren. So freundlich Elisabeth, die Frau von Maximilian Peters, und deren Schwiegertochter Anna vordergründig auch waren, Helene vergaß nie, dass sie nur zu Gast war. Dabei war sie heilfroh, bei Anna und ihrem Mann zu leben und nicht bei Elisabeth, seiner Mutter. In Elisabeths Gegenwart fühlte sie sich stets so, als hätte sie etwas falsch gemacht. Das war schon gleich bei ihrer ersten Begegnung so gewesen. Als Elisabeth im Türrahmen stand, um sie zu begrüßen, hatte sie den Neuankömmling kaum eines Blickes gewürdigt und Helene gleich in die Wohnstube gelotst, so als wolle sie eine lästige Pflicht schnell hinter sich bringen. In den Monaten danach wurde es nicht besser

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