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Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Titel: Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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Siedler tatsächlich ihren Mann erschossen hatte, nur weil der seinen gerechten Lohn einforderte?
    Stechende Kopfschmerzen unterbrachen ihre Überlegungen, und Helene schüttelte verärgert den Kopf, als könnte sie so diese immer wiederkehrende Pein loswerden. Wenn sie Amarinas Version in der Öffentlichkeit auch nur in Erwägung zog, bedeutete dies, sich die Siedler des Valleys und der Hills gleichermaßen zum Feind zu machen. Und zwar nicht nur die ebenso hitzigen wie starrköpfigen Iren. Nein, auch die eher zurückhaltenden Deutschen, die es nie und nimmer wagen würden, es sich mit den Iren zu verscherzen.
    Helene hatte Amarina lange von der Seite angeschaut. Die Dämmerung tauchte schon die ersten Wolkenbänder am Abendhimmel in ein dramatisches Lichtspiel aus goldleuchtendem Orange und Rot, doch erst als die Grillen mit ihrem Zirpen anhoben, war Amarina aufgestanden und ohne ein Wort des Abschieds davongegangen.

    Dass Amarina mitsamt ihrer Tochter so spurlos verschwunden war, unmittelbar nachdem Helene sie am Nachmittag noch lachend und scherzend beobachtet hatte, ließ ihr keine Ruhe. Sie hatte Luises Rat befolgt und den alten Warrun aufgesucht. Gerade noch rechtzeitig kam sie im Camp der Wajtas an, die schon im Begriff waren, zum nächsten Camp aufzubrechen. Der Gang zu den Hütten der Aborigines hatte sie einiges an Mut und Überwindung gekostet. Doch Amarina hatte etwas in ihrem Inneren berührt, auf eine seltsame Weise fühlte sie sich dieser fremden Frau verbunden.
    Das Lager war bereits fast aufgelöst, und unter den Frauen herrschte Geschäftigkeit. Als Nomaden besaßen die Aborigines zwar nicht viel, was sie auf ihrem Weg zur neuen Lagerstelle mitnehmen würden, doch Helene hatte den Eindruck, dass die Männer fast alle Tätigkeiten im Camp den Frauen überließen. Ein Mädchen, das ein Kind auf der Hüfte trug, während sie geflochtene Körbe einsammelte und zu einem bedrohlich wackelnden Turm stapelte, wies ihr den Weg zum Stammesführer. Helene fand den Alten abseits, unter einem Wilga-Baum sitzend, die angezogenen Beine mit den Armen umklammernd. Sein fast schwarzes, glänzendes Gesicht war von tiefen Falten durchzogen, doch Helene hätte unmöglich sagen können, wie alt er war. Warrun war ein kleiner, sehniger Mann, dessen gelbe Zahnstummel ständig auf irgendwelchen merkwürdigen Blättern rumkauten, die er in unregelmäßigen Abständen geräuschvoll ausspuckte, bevor er sich drei oder vier frische in den Mund stopfte. Seine nackte Brust war quer mit langen, schwulstigen Narben übersät, deren regelmäßige Zeichnung einer Art Muster zu folgen schien. Helene traute sich nicht zu fragen, was es damit auf sich hatte, doch obwohl Warruns Äußeres sie einschüchterte, wanderte ihr neugieriger Blick immer wieder zu den auffallenden Narben. Warrun strich sich mit seiner knochigen Hand stolz über die Brust.
    »Du willst wissen, was das ist?«
    Helene fühlte sich ertappt, nickte jedoch.
    »Setzen!«, befahl er, und Helene gehorchte. »Wenn Junge wird Mann, wir schneiden Wunden mit Stein. Wir auch ziehen Zähne, schau!« Warrun spuckte vor ihr aus, dann entblößte er mit einem breiten Grinsen sein Zahnfleisch und deutete mit dem Finger in die geöffnete Mundhöhle. Mit der anderen Hand winkte er Helene näher heran. Widerwillig folgte sie der Aufforderung und besah mit leichtem Ekel die zahlreichen Ruinen. Schwer zu sagen, welcher Zahn gezogen und welcher weggefault war. Dann klappte er plötzlich den Mund zu.
    »Mehr ich nicht sagen. Ist geheime Zeremonie. Männersache.«
    Helene nickte wieder und kam dann auf das zu sprechen, weshalb sie eigentlich gekommen war.
    »Ich wollte dich eigentlich etwas ganz anderes fragen, Warrun. Kannst du mir sagen, wohin Amarina und ihre Tochter gegangen sind?« Helene hoffte, dass sie sich mit der Frage nicht zu weit vorgewagt hatte. Eigentlich ging es sie ja auch gar nichts an. Eine Windbrise fuhr Warrun durchs schulterlange, graue Haar. Er schwieg. Helene zog wie unbewusst das Amulett hervor und hielt es in der flachen Hand. Seit Amarina es ihr gegeben hatte, griff sie, ohne nachzudenken, immer wieder danach. Warrun nahm es ihr aus der Hand, betrachtete es von allen Seiten, dann gab er es Helene zurück. Hatte er etwa die Stirn gerunzelt, oder war die steile Falte zwischen seinen Brauen schon vorher da gewesen? Helene entschied sich, eine Weile abzuwarten, ob Warrun etwas sagen wollte. Er wirkte sehr würdevoll, wie er mit gestrecktem Rücken unbewegt und

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